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Jakob Falke.
fein, dafs diefe beiden tadelsfrei gewefen, aber fie zeigten doch fehr viel Gutes
und diefes in hoffnungerweckender Weife für die Zukunft. Was fie Gutes hatten,
das lag auf dem Wege der beabfichtigten Reform und bewegte fich auf dem
kirchlichen Gebiete in den Stilen des Mittelalters, auf dem civilen in der Rich
tung der Renaiffance.
Aber das Gute hatte überall fein Gegenbild neben fich. Was reich, vor
nehm war und für etwas gelten füllte, das zeigte — obwohl keineswegs aus-
fchliefslich — höchfl vortreffliche Leitungen fowohl für die Kirche wie für das
Haus; was für den mittleren und den niederen Gebrauch beftimmt, das gab
ordinären Geift und ordinäre Formen zu erkennen.
Man fieht daher leicht, wohin vor allem fich die Beftrebungen zur Hebung
der Goldfchmiedekunfl in Oeflerreich richten müffen. Sie müffen vor allem den
gewöhnlicheren Gebrauchsgegenfland, die gröfsere Produktion ins Auge faffen,
und das gilt, weil das Bedürfnifs gleicherweife vorhanden ift, auch gleicher
weife für den Bedarf der Kirche, des Haufes und der Perfon. Natürlich wird
damit nicht behauptet, dafs das reichere und vornehmere Genre nunmehr voll
endet fei und der Bemühungen nicht mehr bedürfe, aber die neuefte Tendenz
in demfelben ift gut und wird von felber trachten, das zu ergänzen, was fehlt,
oder diejenigen, die noch fchwankend find und irren, in ihre Bahn hineinzu
lenken. Ift das Bewufstfein, die Ueberzeugung einmal gekommen von dem, was
noth thut, fo wird auch wohl gefchehen, was gefchehen mufs. Diefes aber fcheint
uns vorzugsweife das zu fein, dafs fich die Goldfchmiedekunft von den eigent
lichen Bildhauern und Architekten unabhängig ftelle, dafs fie fich ihre eigenen
Künftler fchaffe, die das Material, feine Eigenfchaften, feine Fähigkeiten genau
kennen und auch als erfinderifche Köpfe den höchften Anforderungen und Auf
gaben gewachfen find.
Das ift die eine Seite deffen, was noth thut; man kann fie heute fchon mit
einiger Zuverficht den grofsen Goldfehmieden und Juwelieren felbft überlaffen.
Wenn die Schule des öfterreichifchen Mufeums von ihnen richtig benützt wird,
fo kann mit ihr diefer Seite des Bedürfnilfes entfprochen werden.
Aber für die Maffenproduklion, für die Handelswaare, die veredelt werden
mufs, für die Benützung der Materialien, welche das Land in mancherlei fchönen,
zum Theil billigen Steinen bietet, müffen die Beftrebungen tiefer und mehr in
die Breite gehen. Um auch der Dorfkirche ein gut geformtes Gefäfs zu liefern,
um den Goldfchmuck gefällig, fein, anfehenswürdig zu machen, um aus den
Granaten, Topafen und anderen hübfehen und effektvollen Steinarten einen nicht
blos billigen, fondern zugleich auch trefflichen, reizvollen Schmuck zu fchaffen,
um die bisherigen technifchen Verfahrungsweifen zu vervollkommnen, die alten,
nun wieder belebten zu lehren und zu verbreiten, dazu find Fachfchulen nöthig,
welche einerfeits die Hand in aller Weife bilden, andererfeits die Fähigkeit ver
fchaffen, nicht blos die gute, gefchmackvolle Zeichnung zu verliehen, fondern fie
auch zu liefern. Wenn auf diefe Weife durch praktifchen und theoretifchen
Unterricht die ausgezeichnete Begabung des öfterreichifchen Volkes gerade auch
für diefen Zweig der Kunftinduftrie aus dem Schlummer geweckt und zur vollen
Thätigkeit gehoben wird, fo glauben wir, wird die öfterreichifche Goldfchmiede
kunft im Stande fein, in jedem Zweige das Gleiche zu leiften und der Concur-
renz der Welt die Spitze zu bieten.