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Volltext: Die bildenden Künste der Gegenwart, Wiener Weltausstellung Heft 2

Gruppe XXV. Die bildenden Künste der Gegenwart. 119 
oder ob ihm eine durchaus freie Bewegung seiner Gedanken gestattet 
wird Jedenfalls ist die Summe des technischen Könnens und der for 
mellen Geschicklichkeit bei den französischen Architekten beneidenswerth 
gross Diese Vorzüge sind übrigens nicht bloss auf die Baukunst 
beschränkt, sondern auch in den anderen Kunstgattungen wahrnehmbar. 
Das Zwiespältige des modernen Kunstlebens offenbart sich nirgends 
so deutlich, als im Kreise der französischen Sculptur. Die Schulbildung 
weist hier noch immer auf das antike Muster zurück. Der Unterricht 
an der Akademie, die Preisaufgaben, die Studien in Korn, mit welchen 
die Lehrzeit gewöhnlich abgeschlossen wird, Alles fuhrt den Kunst ei 
in den Kreis der classischen Kunst. Natürlich, dass einzelne Künstler 
dieser Richtung auch ferner treu bleiben. Aber wie im Inhalte, so 
suchen sie auch in den Formen der Vorliebe der Gegenwart für das 
derb Leidenschaftliche, hastig Bewegte, die Sinne Packende e ^8 e S en - 
zukommen. Der ruhige Fluss der Linien wird weniger beachtet, der 
malerische Aufbau der Gruppen leichter verziehen. Ein Werk van 
hervorragender Bedeutung ist in dieser Gruppe nicht vorhanden Will 
man den Abstand gegen die.frühere Zeit recht scharf vor die Augen 
sich halten, so braucht man nur Montagne’s Mercur als Argustodter 
mit dem gleichnamigen Werke von Thorwaldsen zu vergleichen. Die 
Anwesenheit des Gypsabgusses von Thorwaldsen’s Werke in dem öster 
reichischen Museum gab dazu einen bequemen Anlass. Die französische 
Plastik hat freilich auch zuPradier’s Zeiten auf dem Gebiete der anti- 
kisirenden Kunst keine Lorbeeren errungen. Rüde und Dur et waren 
es, welche den Ruhm der französischen Sculptur begründeten und i 
ein wohlverdientes Ansehen verschafften. In ihre Erbschaft theiUe sich 
eine grosse Zahl von Schülern, von welchen zwar keiner die Meister 
erreicht, welche aber mit Erfolg bemüht sind, die technischen Errun 
genschaften derselben festzuhalten und den Gedankenkreis, in welc em 
Rüde und Duret sich bewegten, weiterzubilden. Schon die Bearbeitung 
des Marmors in der französischen Bildhauerschule zeigt die Gediegenheit 
des plastischen Handwerkes. Ohne sich in gesuchte künstliche Effec e 
zu verlieren oder kleinlich zu werden, verstehen sie doch den spröden 
Stoff sowohl den weichen runden, wie den markigen scharfen Formen 
gefügig zu machen. Namentlich verdient die Behandlung nackter 
männlicher Körper grosses Lob. Vollends im Bronzeguss bewahren die 
Pariser Künstler auch immer ihren Vorrang, ebenso sehr in der reinen 
Technik, wie in der Wahl der Gegenstände der Darstellung. Denn 
dass die verschiedene Natur des Materials auch eine Verschiedenheit 
der Formen und des Inhalts bedinge, steht schon durch das Beispiel dei 
Alten fest. Manches gehört mehr dem Kreise der Kunstindustrie an 
und ist wahrscheinlich auf massenhafte Reproduction berechnet; auch 
die zahlreichen Thierfiguren haben nur die Bestimmung eleganter Zim- 
merdecoration. Doch auch viele Werke tiefem Gehaltes und reiteiei
	        
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