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Gruppe XII. Graphische Künste.
vember 1871, war zugleich ein Tag des Triumphes für seine Erfin
dung, denn die Lithographie hat nicht allein auf dem Gebiete der
eigentlichen Kunst ausserordentliche Siege errungen, sondern sie be
reitet auch der Typographie in mancher Beziehung eine schwer zu
bestehende Concurrenz, die hauptsächlich in der Vervollkommnung der
Umdruckverfahren und in der allgemeinen Verbreitung der lithogra
phischen Schnellpresse ihre Hauptstützen fand, durch welche jetzt die
Möglichkeit gegeben ist, die Billigkeit und Schnelligkeit der Typogra
phie zu erreichen, mitunter sogar zu übertreffen.
Die Buchdruckerei versuchte zwar eine Zeit lang, der Lithogra
phie wieder Terrain abzuringen; man lieferte Zierschriften, Einfassun
gen, Züge und dergleichen in grossen Massen, darunter Manches, was
längst „ins Zeug“ gewandert, Manches jedoch, was Bestand hatte.
Allein die riesig wachsende Industrie mit ihren unendlich vielen, halb
Nothwendigkeits-, halb Luxusartikeln, der steigende Geschmack, die
mit der Lithographie verbundene leichtere Anwendung des Farben
druckes und die grössere Freiheit der Behandlung verhalfen der Litho
graphie zu manchen Siegen auf dem Felde der sogenannten Accidenz-
^rbeiten. Verdrängen konnte sie andererseits den Buchdruck ebenso
wenig, hauptsächlich, weil die Gleichmässigkeit und Leichtigkeit in
der Herstellung der Textschrift durch die Typographie nicht von iln
erreicht werden konnte. Aus diesem Kampfe entstand, wie so oft,
wenn die Gegner gegenseitig ihre Kräfte schätzen gelernt haben, ein
Bündniss, von welchem Beide den Vortheil hatten. Denn wir sehen
jetzt die mannigfachsten graphischen Künste einträchtig für die Her
stellung der verschiedensten Arbeiten, je nach ihrer Eigenart, Zusam
menwirken; jede kann ihre eigenen Vorzüge geltend machen, jede
kann die Vorzüge der anderen benutzen. Deshalb vereinigen grössere
typographische Etablissements jetzt gewöhnlich mehrere der graphi
schen Branchen und stellen dadurch Arbeiten her für die Zwecke der
Bildung, des Unterrichts und der Gewerbe, daneben Werthpapiere und
Accidenzien aller Art, in einer Vollkommenheit, wie sie durch Hilfe
nur einer einzigen der graphischen Künste nicht zu erreichen gewe
sen wäre,
Und doch stehen wir augenblicklich erst am Ausgangspunkte
einer neuen Aera. Gutenberg’s Kunst hat, indem sie der Mensch
heit durch das Licht der Kenntnisse zu der Macht über das phy
sische Licht verhalf, es dahin gebracht, dass dieses nun wieder der
wichtigste Factor zur Verbreitung des geistigen Lichtes geworden.
In der Sonne ist eine Mitarbeiterin den graphischen Künsten entstan
den , der zu weichen selbst dem Altmeister der Kunst keine Unehre
bringen würde. Die Photographie, die Heliographie in Verbindung
mit der Hochlegung der durch erstere gewonnenen Bilder, sind Kräfte,
welche denen des Hercules in der Wiege gleichen; sie zeigen sich schon