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Künstliche Erzeugung von Kälte und Eis.
mendrückung Temperatursteigerung. Wird ein comprimirtes heisses Gas
abgekühlt und dann erst expandirt, so erniedrigt sich seine Temperatur
unter die anfängliche und es können sehr tiefe Kältegrade erreicht
werden. Beispielsweise giebt die Luft von 2,3,4 Atmosphären, auf
30° 0. abgekühlt, hei der Ausdehnung auf 1 Atmosphäre die Temperaturen
25, 53, 70° C. unter Null. Es wird vorausgesetzt, dass die Luft wie
der Dampf in einer Maschine nach aussen arbeitet; strömt sie in einen
leeren Raum, so erleidet die Temperatur der ganzen Masse keine Ver
änderung, indem die bei der anfänglichen Expansion verloren gehende
Wärme durch den Anprall der Theile an die Gefässwandung wieder
erzeugt wird; schiebt die Luft einen geringeren Druck zurück als ihrer
eigenen Spannung entspricht, wenn sie z. B. in einem Gefäss stark ver
dichtet in die äussere Atmosphäre ausströmt, so ist ihre Abkühlung
minder stark als oben angegeben. Auf diesen Grundsätzen beruht die
Anwendung der Luft zur Kälteerzeugung und Eisbereitung.
Principiell mit genauer Berücksichtigung der von der Luft durch
laufenen einzelnen Stadien wäre eine Lufteismaschine folgendermaassen
einzurichten. In einem besondern Cylinder findet Verdichtung der
Luft statt,bis zu einem gewissen Druck, dann wird dieselbe unter dem
erlangten Druck in den Kühlapparat gepresst; indem sie hier ihren
Wärmeüberschuss abgiebt, vermindert sie zugleich immer unter dem
selben Druck ihr Volum,
im Verhältniss von
273 + t
273 -f T
Nunmehr
gelangt sie in einen zweiten Cylinder, in welchem die Expansion statt
findet; die Vorgänge folgen hier in umgekehrter Ordnung wie im Com-
pressionscylinder, die Wirkung entspricht genau derjenigen einer Ex
pansionsdampfmaschine. Hier wird also die Luft sehr kalt und beim
Rückgang des Kolbens wird sie in den Gefrierer gedrückt, in welchem
die Eisbüchsen stehen. Nachdem sie diesen Apparat durchströmt, ge
langt sie von Neuem in den Compressionscylinder, um denselben Kreis
lauf zu wiederholen. Hier entspricht der Expansionscylinder dem Ver
dunstungsbehälter beiden anderen Maschinen; als Unterschied ist noch
hervorzuheben, dass nur eine kleine Menge Luft im Kreislauf sich be
findet, während bei den anderen Systemen ein grosser Vorrath des die
Kälte vermittelnden Stoffes in der Form von Flüssigkeit vorhanden
ist. — Man sieht sofort, dass der Verlauf der Umwandlungen genau der
gleiche, nur in umgekehrter Reihenfolge ist, wie bei einer calorischen
Maschine, und es lässt sieh daher auch die Berechnung der Leistung beider
mit Hilfe derselben Formeln durchführen. Der Verfasser hat eine solche
Berechnung 1 ) ausgeführt; es ergiebt sich daraus, dass wenn die Luft
bei einer Anfangstemperatur von 20° C. auf 3 Atmosphären eompri-
mirt und dann auf 30° C. abgekühlt wird, mit 1 Kg Kohlen 5 Kg Eis,
1 ) Bad. Gewerbez. 1869, Beil. Nro.
Wiener Weltausstellung. III.
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