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Künstliche Erzeugung von Kälte und Eis.
milchig weiss. Aus diesem gegenüber dem glasartig durchsichtigen
Natureis so verschiedenen Aussehen hat man die sonderbarsten Schlüsse
gezogen über dessen Verhalten; bald sollte es grössere, bald geringere
Dauer besitzen, bald mehr, bald weniger kühlen wie das Natureis.
Die Wahrheit ist, dass sich das Kunsteis von dem Natureis in keiner
Hinsicht unterscheidet, als durch sein Aussehen. Kommt dasselbe
frisch aus der Maschine, so ist es allerdings kälter wie ein Stück Eis
aus dem Eiskeller, und schmilzt aus diesem Grunde etwas langsamer an
der Luft. Gleich grosse Stücke Natureis und Maschineneis von gleich
niedriger Temperatur schmelzen aber unter ähnlichen äusseren
Bedingungen gleich langsam oder rasch, und bewirken gleiche Ab
kühlung.
Noch einige seltsame Vorschläge der Temperaturerniedrigung
müssen schliesslich erwähnt werden. J. B. Toselli in Paris lasst
ein spiralförmig gewundenes Rohr in einem Gefäss mit Wasser
rotiren, aus dem es zugleich jedesmal eine gewisse Menge schöpft
und in ein daneben befindliches Gefäss überträgt, von wo es
in einem Schlangenrohr in das erste Gefäss wieder zurückläuft. Bei
der Drehung benetzt sich die Spirale an der ganzen Oberfläche;
ein Ventilator bläst Luft auf dieselbe, verdunstet das anhängende
Wasser und erniedrigt dadurch die Temperatur des Rohrs und des
darin befindlichen Wassers. Je nach der Witterung soll eine Abküh
lung von 2’7° bis 18'3° C. erfolgen. In dem zweiten Gefäss, welches
von dem kalten Wasser in einem Schlangenrohr durchlaufen wird, be
findet sich die zu kühlende Flüssigkeit, z. B. Bierwürze, künstliches
Mineralwasser i). Der Erfolg hierbei kann nur ein geringer sein, da er
ganz von der Temperatur und dem nie fehlenden Feuchtigkeitsgehalt
der Luft abhängt. Die Nasskälte eines am Versuchsorte aufgestellten
Psychrometers bestimmt denselben mit ziemlicher Genauigkeit im
Voraus.
Ballo 2 ) in Pest will Kälte dadurch erzeugen, dass er Luft mit
telst Babo’s Mostpeitsche (d. h. sehr fein vertheilt) durch Schwefel
kohlenstoff treibt. Nur bietet ihm vorerst die Condensation resp.
Wiedergewinnung der Substanz Schwierigkeit. Daran muss nun in
Wirklichkeit das ganze Project auch scheitern. Eine Wiedergewinnung
des Schwefelkohlenstoffs auf anderem Wege, als durch Verdichtung und
Abkühlung der damit gesättigten Luft, in Ermangelung geeigneter
Lösungsmittel, ist unmöglich, und würde dies besondere Schwierig
keiten machen und grosse Arbeitskraft erfordern; man gelangte dann
auf das Princip der Luftmaschine. Das Problem in dieser Richtung
ist praktisch ganz unlösbar.
i) Toselli, Mech. Mag. 1872, 433; Dingl. pol. J. CCV, 28. 2 ) Ballo,
Dingl. pol. J. CCXI, 345.