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Bor und seine Verbindungen.
Das krystallisirte Bor, dessen Grundform ein quadratisches Prisma
ist," zeigt je nach den verschiedenen Beimengungen verschiedene,
granatrothe, gelbe bis wasserhelle Farben. Es besitzt Glanz und Licht
brechungsvermögen in sehr hohem Grade und kann in dieser Beziehung
nur mit dem Diamant verglichen werden. Die Borkrystalle ritzen den
Corund und orientalischen Rubin, welche dem Diamant in der Härte
am nächsten stehen, mit Leichtigkeit, und selbst geschliffener Diamant
wird bei dem Zerdrücken der Borkrystalle schwach angegriffen.
Die merkwürdigen an die des Diamanten erinnernden Eigenschaf
ten des krystallisirten Bors schienen zu der Erwartung zu berechtigen,
dass die Technik sich alsbald eines so schätzbaren Materials bemächtigen
werde. Diese Erwartung ist jedoch bis jetzt nicht in Erfüllung ge
gangen.
Das Studium des elementaren Bors, zumal der amorphen Modifi-
cation hat zu einigen Ergebnissen geführt, welche, obwohl bis jetzt
eines industriellen Interesses entbehrend, gleichwohl Erwähnung ver
dienen, weil sie den Speculationen über die Bildung der technisch
wichtigen Borsäure zu Hilfe zu kommen scheinen.
Bei dem Erhitzen von amorphem Bor in der Luft entsteht neben
Borsäureanhydrid Stickstoff hör. Diese Verwandtschaft des Bors zum
Stickstoff ist sehr bemerkenswerth; sie ist so gross, dass das Bor einer
Reihe von Stickstoffverbindungen den Stickstoff entzieht, sö z. B. dem
Ammoniak, Stickoxyd etc. Der Borstickstoff ist gegen Säuren und Alkalien
sehr beständig und wird erst bei Rothgluth durch Wasserdampf in
Borsäure und Ammoniak zerlegt.
Auch gegen Schwefelwaserstoff verhält sich das amorphe Bor
ähnlich wie gegen Ammoniak; es entzieht dem Schwefelwasserstoff
schon bei gelindem Anwärmen den Schwefel, indem es sich damit zu
Schwefelbor verbindet, welche letztere Verbindung in dem Gasstrom
des gleichzeitig in Freiheit gesetzten Wasserstoffs theilweise sublimirt.
Das Schwefelbor wird, wenn es mit Wasser zusammen kommt, sofort
in Borsäure und Schwefelwasserstoff zersetzt.
Borsäure. Von den technisch wichtigen Borverbindungen ist zu
nächst die Borsäure, 1I : . B 0 ;J , zu erwähnen.
Dieselbe findet sich fertiggebildet, wenn auch nur in geringer
Menge in gewissen, dem Inneren der Erde entströmenden vulcanischen
Dämpfen, welche, wenn sie vor ihrem Austritt in die Atmosphäre
durch Wasser streichen, die Borsäure theilweise an letzteres abgeben
und so das Entstehen verdünnter Borsäurelösungen veranlassen.
Solchen Ursprungs sind die Borsäure-Lagoni der toscanischen Maremma;
ähnliche Emanationen hat man neuerdings in Californien, haupt
sächlich in dem Districte Nevada beobachtet. Das zuerst erwähnte
Vorkommen ist von besonderer Wichtigkeit, insofern Toscana während
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