Die Borsäurelabrikation in Toscana.
Von Dr. Karl Kurtz
in Stuttgart.
Stand der Borsäurefabrikation im Anfang des vorigen
Decenniums. Der grösste Theil der in Europa verbrauchten Borsäure
stammt aus der toscanischen Maremme. Es strömen dort bekanntlich an
verschiedenen Punkten (Larderello, Castelnuovo, Sasso, Serrazzano,
Lustignano, Lago zolforeo, Monterotondo ündTravale) kochende Wasser,
Wasserdampf und heisse Gase aus Erdspalten schon seit langer, aber
geschichtlich nicht feststellbarer Zeit. Diese Wasser und Dämpfe (soffioni)
enthalten kleine Mengen Borsäure, welche man gewinnt, indem man die
Soffionen in sogenannten Lagoni durch Wasser streichen lässt. Dieses
Wasser nimmt dann bis zu 2 p. C. an (krystallisirter) Borsäure (H 3 B0 3 )
auf, worauf die Lauge in langen grosssen Pfannen aus Bleiblech con-
centrirt wird, bis die Borsäure auskrystallisirt. Als Heizmaterial dienen
ebenfalls Soffioni, deren Mündung man überwölbt, um sie in Canälen
oder Röhren unter die Pfannen führen zu können. Die Temperatur
der Soffioni schwankt zwischen 90 und 120», doch herrscht eine 100»
nahe'Temperatur vor. Da die Ansicht Gazzeri s, dass in jenen
Gegenden in einer gewissen Tiefe sich förmliche Dampfschichten finden
müssten und dass man diese anbohren könne, sich bewahrheitet hat, sind
seit Anfang der fünfziger Jahre Dutzende von Bohrlöchern ausgeführt
worden, deren Soffionen die nämlichen Eigenschaften zeigen, wie die
natürlichen, ja gewöhnlich sogar sich reicher an Borsäure erweisen, als
diese. In geognostischer Beziehung haben die Bohrlöcher nicht so viel
Aufschluss gebracht, als man hätte erwarten können. Die durchsunke-
nen Schichten bieten nichts Charakteristisches. Es sind Sande, Thone,
Trümmergesteine, in denen Kieselkalke und feuersteinartige Massen
nicht selten Vorkommen. Man rechnet sie gewöhnlich zum Eocän. Sie
bergen grössere und kleinere dampferfüllte Räume und Spalten, oft in
mehreren Schichten über einander. Trifft der Bohrer auf eine solche
Spalte, so entsteht ein künstlich hergestellter Soffione. Dazwischen sind
vielfach Nester von Borsäuremineralien eingebettet, namentlich Sassolin