Gruppe III. Chemische Industrie.
geht. Eine gewöhnliche Gasretorte von 8% Fuss Länge soll nach dem
selben in 24 Stunden 8000 bis 9000 Cubikfuss dieses Gases liefern, und
in einer Fabrik von Wagemann in Beuel bei Bonn, wo das Verfahren
zur Anwendung gekommen ist, wurde für 1000 Cubikfuss desselben
1 Centner Schieferkohle consumirt.
Der Grundlage nach völlig verschieden ist die zweite Methode, den
Wasserstoff zur Beleuchtung zu verwenden, welche 1846 Gillard zuerst
in Passy bei Paris zur Ausführung brachte. Gillard 1 ) setzte auf die
Brenner, aus welchen das Wassergas ausströmt, Körbe aus Platindraht,
die durch das entzündete Gas in helle Weissgluth geriethen, und nannte
dasselbe deshalb Platingas (Gas platine). Die Unbeweglichkeit des
Lichtes auch bei heftigem Winde, die Vermeidung von Glascylindern,
welche nach Verven 22 p.C. Licht absorbiren, und die grosse Helligkeit
gereichen dieser Methode zum Vortheile: wenn auch die Intensität des
Lichtes Nachtheile im Gefolge hat. In Passy hat sich die Anwendung
desselben nicht erhalten, dagegen führte die berühmte Fabrik galvano
plastischer Silberwaaren von Christofle & Co. in Paris 2 ) dasselbe in
ihien Werkstätten und Magazinen, die Stadt Narbonne selbst zur Be
leuchtung ihrer Strassen ein. Bei einem Gasverbrauch von 3'234 Cubik
fuss (0 1 cbm) pr. Stunde entsprach daselbst die Leuchtkraft derjenigen
von 5 22 Normalkerzen, und die Laternen konnten in Narbonne, dessen
Strassenbeleuchtung Verver als vollkommen bezeichnet, in einer Ent
fernung von 50 m von einander aufgestellt werden.
In neuerer Zeit, besonders seit der. Vereinfachung der Wasserstoff
bereitung durch Tessie du Mot.ay und Marechal (s. o.), hat man
auch in Paris aufs Neue Versuche zur Beleuchtung grosser Plätze und
Strassen mit „Platingas“ angestellt. Beobachter können Carricaturen
jedoch nicht ungerechtfertigt finden, in welchen Pariser Witzblätter
jener Zeit die Spaziergänger auf der Strasse bis zu Kindern auf dem
Arm und Hunden in der Gosse mit Augenschirmen ausstatteten, um
ihre Sehkraft zu schonen.
Die technische Literatur hat die Eigenthümlichkeit, dass sie wohl
die Einführung neuer Methoden bekannt macht, uns über die Bewäh
rung derselben aber meistentkeils im Dunkeln lässt. Sie führt ziemlich
vollständige Kegister über die Geburten, sehr unvollständige aber über
die weiteren Lebensschicksale uDd über die Todesfälle von Erfindungen,
und so sind wir auch über die bleibenden Erfolge der Wasserstoff beleuch-
tung mit einer einzigen Ausnahme bisher ohne Nachricht geblieben.
Nur über Versuche, welche die Stadt Elisabeth im Staate New-
Jersey in Amerika mit Wassergas anstellte, sind Resultate negativer
) Siehe den Bericht vonO.Alenry: J. pharm. [3] XVII, 105. Dingl. J.
CXVI, 222 und die oben angeführten Berichte von Bromeis u. von Verver!
) Wagner, Handbuch der Technologie 1873, II, 371.