377
I. Die -Erzeugnisse der Möbeltischlerei etc.
Ornamentik. Im Detail mischen sich mit der letzteren nicht selten
Anklänge an Romanisches. Frankreich bietet nicht ein einziges Stück
dieser Richtung. Italien nur einen unbedeutenden, für einen beson
deren Zweck — eine Waffensammlung — angefertigten Sessel mit
gothisirendem Detail; Deutschland sehr Weniges, jedoch eine treffliche
Leistung: Bücherschrank, Schreibtisch und Sessel von H. C. Wo 11-
brandt in Hamburg; Oesterreich-Ungarn nur Vereinzeltes ohne her
vorragenden Werth. An den Arbeiten des Brunners R. S. Feeg,
die sämmtlich kirchlichen Zwecken bestimmt waren, vermisste man
ein feineres Verständniss für die Bildung des gothischen Laubwerkes.
Man würde jedoch fehlgreifen, wenn man aus diesem spärlichen
Auftreten der Gothik sofort den Schluss auf ihr Aussterben in der
Möbelfabrikation ziehen wollte. In Norddeutschland zum Mindesten
erfreuen sich die neugothischen Möbel noch einer Beliebtheit, die zum
Besten aus den zahlreichen Entwürfen erhellt, welche in den letzten
Jahren veröffentlicht worden: man erinnere sich der Northoff’sehen
Hefte, der gothischen Entwürfe in Edwin Oppler’s „Kunst im Ge
werbe“, der Entwürfe von W. Hauers und Jordan unter den vom
hambnrgischen Gewerbeverein herausgegebenen Zeichnungen ganzer
Mobiliare. Auch in Wien dürfte die Gothik nicht so ganz erloschen
sein, wie man nach der Ausstellung urtheilen möchte: Friedrich
Schmidt, Carl II äsen au er und andere Architekten haben in den
letzten Jahren nicht selten, z. B. in den V. T eirich’schen „Blättern
für Kunstgewerbe“, gothische Entwürfe der Oeffentlichkeit übergeben,
deren Ausführungen der österreichischen Möbelausstellung zu höherer
Zierde gereicht hätten, als manche der Reproductionen aus dem List’-
schen Möbeljournal.
Treffender lässt sich aus dem Vorhandenen auf das Aussterben des
Rocoeo schliessen. Was noch in den Formen dieser Geschmacksrichtung
geboten wird, gehört nicht mehr jenem Rococo an, das im zweiten Viertel
dieses Jahrhunderts den verdorrten Empirestil ablöste und vom echten
Rococo nur seine Verirrungen in den Details der Zierrathen erborgt,
ihm nicht den kokett graciösen Schwung, die Consequenz der decora-
tiven Behandlung, nicht die eigenartige Stimmung des Colorits, nicht
die technische Mannigfaltigkeit und Verve abzusehen gewusst hatte.
Beispiele des lahmen Muschelwerks des modernen Rococo sind
sehr spärlich und fristen nur an Erzeugnissen weniger Handwerker
aus Provinzialstädtchen ein wenig aufdringliches Dasein. Nur einige
Sesselformen, besonders in der französischen und belgischen Abtheilung,
machen aus oft erörterten Gründen moderner Bequemlichkeit eine
Ausnahme. Das zumeist vergoldete Holz spielt dabei fast immer eine
untergeordnete Rolle gegenüber den gewebten Ueberzügen, auf denen
die naturalistischen Blumenmuster, die Trophäen von Geräthen idyl
lischer Cultur und Liebesattfibuten, die Scenen verliebten Schäfer-