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Gruppe VIII. Holz-Industrie.
Grössere Mannigfaltigkeit herrschte unter den Tischen. Jene
ausgezeichnete Construction einer gewissen Art gothischer Tische, bei
welchen die Platte an ihren Schmalseiten von zwei senkrecht stehenden
Brettern getragen wird, die nahe dem Boden oder in halber Höhe durch
einen oder zwei feste Sparren, sogenannte Spriegel, unverrückbai ver
bunden sind, fehlte durchaus, wie ja das treffliche gothische Construc-
tionsprincip nicht einmal bei den wenigen als gothisch bezeichneten
Möbeln befolgt war. Auch die Ausprägung dieses gothischen Schemas
in den Zierformen der Renaissance war nur in wenigen Beispielen ver
treten, als deren bestes der von Daniel Schäffler in Nürnberg
ausgestellte Tisch zu erwähnen ist. Bei diesem waren die senkrechten
Brettstützen durch geschnitzte Ornamente im Stil der deutschen Renais
sance und einige gut behandelte Figuren recht glücklich belebt, ohne
dass ihrer Function durch diese Verzierung Abbruch gethan wäre.
Häufiger war eine Tischform der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts,
bei welcher die Platte ausser von vier Füssen an den Ecken, noch
durch eine Reihe von Balustren gestützt wird, die in der Richtung der
Längenachse des Tisches auf dem die Beine nahe über dem Boden ver
bindenden Gespärre stehen. Nach diesem Schema waren unter anderen
gebaut: ein sehr grosser Eichenholztisch von de Bruyne in der belgi
schen Abtheilung der Kunsthalle, der von Roudillon ausgestellte
zierliche Nussholztisch mit Einlagen weissen Metalles, ein mit Elfen-
beinmosaik „alla certosina“ verzierter Tisch in der italienischen Abthei
lung. Im Allgemeinen herrschte unter den Tischen noch das Schema
vor, bei welchem die viereckige Platte von vier senkrechten Stützen
getragen wird. Die Verbindung der Stützen durch Sparrenwerk oder
Fussbretter war nicht häufig und selten mit Geschmack durchgeführt.
Die geschwungenen Linien der Spriegel, die festonsbehangene Vase
auf der Kreuzung derselben, wie wir dies bei vielen Tischen aus dem
vorigen Jahrhundert sehen, herrschten noch mehr als wünschenswerth
vor. Mit besonderer Vorliebe waren die runden Tische mit centralem
Fuss zum Gegenstand reichster decorativer Ausstattung gewählt. Tigür-
liche Zuthat fehlte nur selten, bald war der untere Theil des säulen
förmigen Fnsses in phantastische Thiergestalten, Greife oder Chimären
aufgelöst, die mit kraftvoll vorgestreckten Tatzen der Basis diejenige
Breite gaben, welche die Stabilität des Tisches verlangt; bald war
diesem Erforderniss dadurch genügt, dass die Stütze auf der Kreuzung
von zwei oder drei wagereeht liegenden Brettern oder Latten fusste, wo
bei letztere häufig mit Putten oder anderen Figürchen besetzt waren, und
zwar meist auf recht üble Art, denn eine innere, durch irgend welche
scheinbare Function begründete Berechtigung zum Dasein menschlicher
Gestalten an eben dieser Stelle ist nicht vorhanden, und zur Aufstellung
figürlicher Nippes ist der Fuss eines Tisches wohl der denkbar un
schicklichste Platz. Die Scheu vor plastischem Ornament hatte die Eng-