I. Die Erzeugnisse der Möbeltischlerei etc. 395
?fur mache man ihn nicht zur Regel. Der tendenziöse Schmuck des
Mobiliars, bei dem die Kunst doch stets das erste, wenn auch nicht
das letzte Wort zu reden hat, liefe sonst Gefahr, zwischen diftelnder
Stubengelahrtheit und dem Spiel mit frostigen Allegorien zu ver
kümmern.
Auf ähnlichem Wege wie Mazaroz ist ein anderer Franzose,
der Architekt Charles Rossigneux, dazu gelangt, für den der Be
stimmung eines Möbels gemässen Schmuck recht anziehende Motive zu
finden. Rossigneux hat das von ihm gezeichnete Prachtcabinet, an
dem Christofle & Co. die ganze Fülle ihrer metallotechnischen Kunst
fertigkeit zeigen wollten, als ein Möbel gedacht, in dem eine schöne
Frau ihre Pfänder der Liebe sicher bewahren kann. Der Bezug auf die
Liebe durchweht die reichen Zierrathen auf stets gefällige Art, wo
bei dem Künstler zu Statten kam, dass er auch in den Emblemen
auf die Zeit Ludwig XIII. zurückgreifen konnte, der er sich in den
Formen näherte. Vorn im runden Mittelfeld der äusseren Thür
ein wunderschönes Jünglingshaupt; Amoretten weisen auf die obere
Schrifttafel: „ Voici ic dieu d’amour“ ; „Qui hardi passer outre“ lesen
wir in den lang geschwungenen zierlich verzogenen Schriftzügen des
17. Jahrhunderts auf einer unteren Schrifttafel, und auf der inne
ren metallenen Thür, welche die Schubfächer deckt, deuten auf den
geheimnissvollen Verschluss und das Liebesgeheimniss die Worte:
„Qui sgait mon secret cognoit ma fortune.“ Auf den mit Zellenschmelz
bedeckten Seitenfüllungen einerseits brennende Scheite und Fackeln:
„L’un et Vauire flamboye a , andererseits ein Altar mit Brandopfer:
„Toujours renaissantIn dem Ornament sind Lorbeeren, Rosen,
weisser Jasmin, brennende Fackeln mit dem Rollwerk des Stiles Louis XIII.
auf das Anmuthigste verflochten.
Es ist gewiss bezeichnend, dass wir die leicht noch zu vervoll
ständigenden Beispiele für ein bewusstes Arbeiten in dieser Richtung
nahezu ausschliesslich in der französischen Abtheilung finden. Sobald
wir weiter schweifen, mehrt sich die Zahl der Geschmacklosigkeiten
im tendenziösen Schmuck der Möbel. Ganz arge Missgriffe bei grossen
und werthvollen Möbeln, etwa nach Art der Shakespeare- und Ro
binson Crusoe-Sideboards auf der letzten Londoner Weltausstellung,
waren glücklicherweise nicht zu sehen, aber immerhin Ungeschicklich
keiten genug, wie jene eines deutschen Ausstellers, welcher seinem Pa
triotismus in den Einlagen eines Nähtischchens Luft gemacht, oder
jene eines anderen Landsmannes, welcher Medaillonportraits von Dich
tern auf die Schrankthüren eines grossen Comptoirmöbels gesetzt hatte,
oder jene eines Wieners, der auf die Thüren eines Möbels, das Biblio
thek und Schreibtisch vereinigen soll, Allegorien der „Wissenschaft“
und der „Geschichte“ als Seitenstücke malen Hess. Ein anderer
Wiener setzte auf die Seitenflächen eines Flügels die Namen grosser