I. Die Erzeugnisse der Möbeltischlerei etc. 401
Hr. Bertucci seinen Künstler nicht zu kurz kommen lässt, braucht
nicht ausgeführt zu werden. Beiläufig sei hier hervorgehoben, dass
in dem Heftchen ein nicht uninteressanter Beweis für das Fortleben
einer eigenthümlichen Literaturgattung Italiens vorliegt, von welcher
aus dem 16. Jahrhundert manches Schätzbare auf uns gekommen. Auf
ermuthigende Lobpreisung der Künstler ist es dabei meist abgesehen,
doch trifft unter den schönrednerischen Floskeln, die oft in gebundener
Rede einherziehen, nicht selten eine kritische Bemerkung ihr Ziel.
In diesem Sinne ist trotz der historischen Beigaben auch das anläss
lich der W eltausstellung veröffentlichte umfangreichere und sehr ver
dienstvolle Werk des Grafen Finocchietti: „Bella scultwra e tarsia
in legno dagli antichi tempi ad oggi“ (Firenze, G. Barbera) zu ver
stehen.
Eine zweite Art, die Möbeln plastisch zu verzieren, ist die An
heftung metallener Ornamente. Die Franzosen nehmen hierin
den ersten Rang ein, Dank ihrer hochentwickelten Bronzeindustrie.
Was von anderen Ländern ausgestellt, kommt daneben kaum in Be
tracht. Unter den französischen Arbeiten dieser Art sind wieder die
jenigen die besten, welche sich am ungekünsteltsten den Vorbildern
des 18. Jahrhunderts anschliessen, denn die Or-moulu-Arbeiten aus der
Blüthezeit Louis’ XVI. sind immer noch die nachahmungswürdig
sten Muster für die Verwendung der Metallappliken. Kein anderer
Stil hat mit so feinem decorativen Gefühl die letzten Consequenzen
dieser Technik zu ziehen gewusst, so folgerichtig den gesummten Ornat
in Metall übersetzt, ohne dabei das Holz als Träger jenes zu ver
leugnen. Leider suchen die Franzosen, wie es scheint, nur selten ihre
Muster unter den graciösen Erzeugnissen der Werkstätten Gauthier’s
und der ihm ebenbürtigen alten Ebenisten. Beliebter scheint eine
andere Richtung desselben Stiles, welche die Metallapplike in grösse
ren Stücken verwendet. Zugleich wird Missbrauch mit dem knalligen
Effect der reinen Goldfarbe getrieben. Die farbige Tönung der Ver
goldung, welche von einigen Pariser Firmen bei der Fabrikation der
Kunstbronzen und des Silbergeräthes mit so vielem Geschick gehandhabt
wird, scheint für die Metallappliken noch nicht zu bestehen, ein
allerdings hervorragendes Beispiel, das Cabinet Christofle’s, aus
genommen. Von einer künstlerisch belebten Industrie, welche die
Frage nach dem Preis der Erzeugnisse kaum zu stellen braucht, dürfte
man eine Bethätigung feineren Farbensinnes in der Herstellung ge
meinsamer Töne des Goldes derAppliken und der Naturfarbe der Holz
gründe erwarten.
Metallverzierte Möbel im Rococostil waren nicht ausgestellt.
Von Gueret fr eres ein prachtvoller Schrank im späteren Stile Lud
wig. XIV., Veilchenholz und Palisander mit Beschlägen aus blanker
messingfarbener Bronze, die hier ausnahmsweise nicht vergoldet war;
Wiener Weltausstellung. III. 2. 26