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I. Die Erzeugnisse der Möbeltischlerei etc.
Hölzer durch conischen Schnitt ohne sichtbare Zwischenräume aufs
Schärfste an einandergefügt, wie es für eine Arbeit dieser Art ange
messen.
Belgien. Wie bei früheren Ausstellungen hatten die hervor
ragendsten belgischen Möbelfabrikanten, so wurde uns wenigstens von
betheiligter Seite versichert, die Beschickung der Austeilung auch dieses-
mal unterlassen. Es ist das um so mehr zu bedauern, als man anderen
falls sich davon hätte überzeugen können, ob die belgische Möbelindu
strie so durchweg im Fahrwasser des Pariserthums sich bewegt, wie
man gewöhnlich anzunehmen geneigt ist, oder ob die Anzeichen, welche
auf andere Einflüsse deuten, tiefere Wurzel im Lande haben.
Die bedeutendste Leistung dieser Abtheilung war die des Hauses
Snyers-Kang & Co., eines seit dem Jahre 1815 in Brüssel etablirten
Hauses, das im Jahre 1873 140 männliche und 25 weibliche Arbeiter
in der Fabrik und 60 Männer ausserhalb derselben beschäftigte. Die
beste Arbeit dieses Hauses war ein „Bahnt“ im Stile der flamländischen
Renaissance, aus Eichenholz mit Schloss und Angelbeschlägen aus ge
triebenem Kupfer (2500 Francs). Ob ein altes Muster nachgeahmt
worden, ist uns unbekannt, doch war das Ganze so völlig im Geiste
jenes Stiles erfunden, dass dem so sein mochte. Die Verhältnisse wa
ren gut gewählt, die geschnitzten Caryatiden mit einer dem Stile an
gemessenen Derbheit behandelt. Auf ingeniöse Weise war bei den Fä
chern eine einfache mechanische Vorkehrung benutzt, die sonst wohl an
Medaillenschränken, Bücherbörtern oder Arbeitstischen hoher Herren aus
dem Anfang des vorigen Jahrhunderts gefunden wird. Hatte die Vor
richtung damals den Zweck, die Handhabung des Möbels bequemer zu
machen, beispielsweise jede Schublade eines Medaillenschrankes in einer
dem Auge angenehmen Entfernung betrachten zu können, so sollte sie
bei diesem „Bahnt“ einen Theil der Fächer vor unberufenen Händen
sichern, indem nur der Eingeweihte dieselben vor die Thüröffnung zu
bringen wusste. — Ein gut gearbeitetes grosses Buffet aus polirtem
Nussholze im Stile Louis XIV. (3500 Francs) zeigte wieder einmal, wie
die natürliche Bestimmung dieses Möbels dem Effect einer Spiegel wand
zu Lieb verkürzt werden kann. Ebensowenig waren die im gleichen
Stile ausgeführten Getäfel eines Speisezimmers aus mattem Nussholz
und die zugehörigen Stühle von höherer Bedeutung.
Desire Briots in Brüssel knüpfte mit einer grossen, reichge
schnitzten Bettlade aus Eichenholz gleichfalls an die flamländische Re
naissance an, jedoch nicht ohne viel späteres Ornament damit zu men
gen. Das Kopfstück der Bettlade setzt sich als feste Rückwand nach
oben fort, an diese war der vorn frei schwebende Rahmen gefügt, von
dem die Vorhänge aus rothem Atlas zu beiden Seiten herahhingen.