678
Gruppe X. Kurzwaaren.
Die Bürstenfabrikation selbst trennt sich im Allgemeinen in eine
solche von feinen und von ordinären Waaren; zu den feinen Waaren
gehören vorzugsweise Haar-, Zahn-, Nagel- und Kleiderbürsten, zu
deren Herstellung fast ausschliesslich weisse Borsten verwendet wer
den, wogegen man Rosshaare und Ziegenhaare nur in geringer Qua
lität zu weichen Stoffbürsten verarbeitet.
Bürsten selbst waren in Wien beinahe von jedem Lande zur Aus
stellung gebracht worden. Hie grösste Ausstellerzahl kam aus dem
deutschen Reiche. Unter diesen verdient die Collectivausstellung
der Schwarzwälder Bürstenfabrikanten in Todtnau (Baden),
auch vom nationalökonomischen Standpunkte aus betrachtet, eine beson
dere Berücksichtigung, weshalb wir einen eingehenden Bericht über die
selbe,ihm wir hochverehrter Hand verdanken, nachstehend folgen lassen:
Südlich von dem mächtigsten Gebirgsstocke des Schwarzwaldes
dem Feldberge, da wo die Hänge und Vorberge sich in fast senkrech
ten kahlen Abstürzen zum Wiesenthale herabziehen, und theilweise in
diesem, liegt eine Anzahl von Ortschaften, denen die Natur die Bedin
gungen für eine den Unterhalt sichernde Landwirthschaft fast gänzlich
versagt hat. Kümmerliche Weiden nähren eine kleine Viehrace notk-
dürftig, so dass oft noch Zweige von den höchsten Bäumen gebrochen
und als Futter verwendet werden. Schwer zu' bewirthschaftende
Hochwaldungen liefern Brenn- und Nutzßolz, dessen Gewinnungs
kosten fast die Hälfte des Preises betragen, ein Verhältniss, das sich
erst in neuerer Zeit günstiger zu gestalten beginnt. Auf der dünnen
Vegetationsdecke massiger geneigter Berghänge wird durch Umbre
chen des Weidefeldes zuweilen eine Fläche angebaut und etwas Frucht
und Kartoffeln gepflanzt, kaum den Tagelohn rentirend. Diese wenig
bevölkerten Orte mussten sich zu einer Zeit, wo Vieh- und Holz
handel aus Mangel an Strassen und Verkehr noch kaum betrieben
wurden, naturgemäss in einer drückenden Armuth und Uncultur be
finden, und wir erfahren auch, dass dies in der That der Fall war,
insbesondere, nachdem der früher betriebene Bergbau aufgehört. Dass
diese Orte sich jetzt einer verhältnissmässigen Wohlhabenheit und gei
stigen Regsamkeit erfreuen, verdanken sie neben geöffneten Verkehrs
wegen zum guten Theile der Bürstenindustrie, deren Anfänge auf das
Jahr 1760 zurückgeführt werden, um welche Zeit ein Müller, Leode-
gar Thoma von Todtnau, zuerst durch Einziehen von Schweinsborsten in
vorher gebohrte Holzstücke vermittelst Schnüren (Bindfaden) ein In
strument zum Reinigen derMühlgeräthe hergestellt haben soll. Franz
Josef Faller, dessen unten noch Erwähnung geschieht, hat den Mann
noch gekannt und es wird nicht bezweifelt, dass er der Erste war, der
in Todtnau Kleider- und Schuhbürsten fertigte und insbesondere auch
Bürsten zum Reinigen der Pferde erstmals 1772 als seine Erfindung an