Ueber die Condensation der sauren Dämpfe der Sodafabriken. 497
Eine derartige Verunreinigung der Luft wird in Grossbritannien
leider an vielen Orten wahr genommen, so an den Ufern des Tyne unter
halb Newcastle, in Widnes und St. Helens, welche letzteren Orte ganz
besonders von den Salzsäuredämpfen der Sodafabriken zu leiden haben.
In Durham und Lanarkshire tritt der schädliche Einfluss der Cokeöfen
und Eisenwerke in unzweifelhafter Weise zu Tage. Aehnliche Ver
hältnisse zeigen sich auch in Deutschland, Frankreich und Belgien, ob
gleich es in diesen Ländern weniger ausgedehnte Districte sind als in
England, welche von diesen Uebeln heimgesucht werden.
Verunreinigung der Atmosphäre durch Stei nkohlen-
rauch. Die chemische Analyse der Luft in einer Stadt wie London
lässt uns erkennen, bis zu welchem Grade die Atmosphäre durch die
für häusliche Zwecke verbrannte Steinkohle beeinträchtigt wird. Man
hat auf diesem Wege gefunden, dass eine Million cbm der Londoner
Luft 1670 g Schwefelsäure enthalten. Die ursprünglich in die Atmo
sphäre diffundirte schweflige Säure wird dort rasch zu Schwefelsäure
oxydirt und ist stets als solche bestimmt worden.
Wenn Steinkohle auch für die Zwecke der Industrie der Baum
wollspinnerei z. B. verbrannt wird, so steigt der Gehalt an schwefli
ger Säure sofort. Für diesen Fall kann Manchester als Beispiel gelten,
wo in einer Million cbm Luft durchschnittlich 2518 g Schwefelsäure
gefunden wurden.
Da wo Steinkohle überhaupt nicht, oder unter besonders günsti
gen Verhältnissen, gebrannt wird, sind in einer Million cbm Luft 474 g
Schwefelsäure enthalten. Aus dem Vorstehenden ergiebt sich, dass ein
wesentlicher Theil der Verunreinigung der Atmosphäre auf Rechnung
der verbrannten Steinkohle zu setzen ist. Aber selbst in Distrieten des
Inneren, in welchen sich keine Fabriken befinden, enthält die Atmo
sphäre erhebliche Mengen von Schwefelsäure. Diese ist wahrschein
lich ein Oxydationsprodu§t des bei der Fäulniss schwefelhaltiger, orga
nischer Substanzen sich entwickelnden Schwefelwasserstoffs.
Untersucht man dagegen die Luft von Orten, wo Schwefelsäure in
grösserem Maassstabe fabricirt wird, so findet man, dass die Menge der
in der Atmosphäre vorhandenen Schwefelsäure zu Zeiten eine sehr be
trächtliche ist, so dass sie sich selbst in kleinen Städten bis zu 2668 g
in einer Million cbm Luft erheben kann.
Die Erfahrung lehrt, dass säurehaltige Luft auf schwächliche Per
sonen einen unzweifelhaft nachtheiligen Einfluss ausübt, und der Ver
fasser glaubt, dass man auf die eigcnthümliche die Geistesthätigkeit
herabstimmende Wirkung derselben bisher nicht genug Gewicht gelegt
hat. Was ihren Einfluss auf die Vegetation anbetrifft, so ist es noch
unentschieden, ob derselbe durch die in die Luft diffundirte oder —
und letzteres erscheint wahrscheinlicher — durch die in den feuchten
Niederschlägen, Regen und Thau, enthaltene und naturgemäss concen-
Wiener Weltausstellung. III. 32