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Volltext: Chemische Industrie, Wiener Weltausstellung Heft 21

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Gruppe III. Chemische Industrie. 
Kochen mit Kalkmilch, welcher man hier und da geringe Mengen 
Aschenlauge oder Soda zusetzte, und durch nachherige Behandlung in 
den gebräuchlichen Stampfwerken eine taugliche Papierfaser zu er 
zeugen. 
Durch die Einwirkung der Kalkmilch wird zwar die Strohsubstanz 
etwas erweicht, aber die Zerfaserung wird dadurch nur wenig befördert. 
Ausserdem wird durch diese Behandlung die Strohmasse tief gelb ge 
färbt, und ohne Anwendung grosser Mengen von Chlorkalk lässt sich 
dieselbe nicht bleichen. Man musste daher in dieser Periode darauf 
verzichten, gebleichten Papierstoff zu erzeugen, und blieb die Anwen 
dung dieses pi-imitiven gelben Strohstoffs auf die Herstellung gelber 
Packpapiere und Pappendeckel beschränkt, bei welchen weder die gelbe 
Farbe noch mangelhafte Zerfaserung in Betracht kommt. 
Nachdem man im Laufe der letzten 40 Jahre in der Papierfabri 
kation etwas vertrauter mit der Anwendung von Chemikalien und be 
sonders das Natron zugänglicher geworden war, machten sich erhebliche 
Fortschritte in der Aufbereitung des Strohs bemerkbar. Die viel energi 
schere Wirkung des Natrons ermöglichte einestheils eine vollständigere 
Zerfaserung und anderentheils wurde durch dasselbe ein grosser 
Theil der gebildeten farbigen Substanzen in Lösung gebracht und ent 
fernt. Obgleich nun damit die Möglichkeit der Erzeugung eines für 
viele Zwecke genügend starken und bleichbaren Papierstoffs nach 
gewiesen war, fand die Verarbeitung des Strohs doch nur geringe Ver 
breitung. Die Kosten der nöthigen Chemikalien waren nicht unbeträcht 
lich, aber weit mehr noch stand die Schwierigkeit im Wege, ein stets 
gleichmässiges Product zu erhalten, und es verlieh zumal das Auftre 
ten noch unzertheilter Strohtheilchen auf der Oberfläche des Papiers 
demselben lange eine unliebsame Charakteristik. Noch vor wenigen 
Jahren hörte man daher von Sachverständigen vielfach die Meinung 
aussprechen, dass das Stroh überhaupt nicht geeignet sei, einen für 
bessere Papiersorten brauchbaren Stoff zu liefern. 
Die Verwerthung des Strohstoffs trat erst in ein neues günstigeres 
Stadium, nachdem die, wie es scheint, von Amedee Mellier 1 ) zuerst 
vorgeschlagene Behandlung des Strohs mit Natronlauge unter erhöhtem 
Druck allmälig in Anwendung kam. 
Seit jener Zeit tauchte dann eine ganze Reihe von Methoden auf, 
welche zum Iheil anfangs, geheim gehalten wurden, und nach welchen 
sich gebleichter Strohstoff von mehr oder weniger guter Qualität dar 
stellen lässt. Die Anwendung desselben wurde bald eine sehr allge 
meine, da der unterdessen immer mehr zunehmende Mangel an Hadern- 
stoffen einen Ersatz dieses Rohmaterials dringend nothwendig machte. 
’) Mellier’s Process wurde durch Ladet 1854 in Frankreich patentirt; 
uuter Me liier’s Namen 1855 in England und Amerika.
	        
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