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Volltext: Chemische Industrie, Wiener Weltausstellung Heft 21

Spiritusfabrikation. 227 
Lebensvorgang vollziehe sieh alsdann auf Kosten der Spaltung sauerstoff 
reicher Verbindungen (Zucker), aber dieses geschehe auch in diesem 
Falle nur zur Organisation und Vermehrnng der Hefepilze, so dass 
Gährung und Organisation stets Hand in Hand gingen und 
nicht zwei zu trennende Vorgänge seien. 
Gerade den letzten Satz greift Liebig in seiner obengenannten 
Schrift heftig an und behauptet in diametralem Gegensätze, dass 
Gährung und Organisation in gar keiner directen Ver 
bindungständen und zwei ganz verschiedene Vorgänge 
seien. 
Die Gründe dieser abweichenden Anschauung können wir nicht 
besser als mit Liebig’s eigenen Worten geben 1 ). 
Die Hefe besteht aus Pflanzenzellen, die sich in einer Flüssigkeit 
entwickeln und vermehren, welche Zucker und ein Albuminat oder einen 
von einem Albuminat abstammenden Körper enthält; die Hauptmasse 
des Zelleninhaltes besteht aus einer Verbindung von einem Stickstoff- und 
schwefelhaltigen Körper mit einem Kohlehydrat oder Zucker. In der Hefe 
tritt von dem Momente an, wo sie sich fertig gebildet hat und in rei 
nem Wasser sich selbst überlassen wird, eine moleculare Bewegung ein, 
die sich in der Umsetzung der Bestandtheile des Zellinhaltes äussert. 
Das in demselben enthaltene Kohlehydrat (oder Zucker) zerfällt in Koh 
lensäure und Alkohol und ein kleiner Theil seiner Schwefel- und stick 
stoffhaltigen Bestandtheile wird löslich und behält die in ihm einge 
tretene moleculare Bewegung in der Flüssigkeit bei; in Folge dessen 
hat dieser Stoff das Vermögen Rohrzucker in Traubenzucker überzu- 
Jiihren. An diesem Vorgänge nimmt kein Körper von aussen, ausser 
Wasser, Antheil. 
Wenn einer Mischung von Hefe und Wasser Rohrzucker zugesetzt 
wird, so tritt zunächst dessen Umwandlung in Traubenzucker ein, und 
die durch die Zellwände der Hefe eindringenden Zuckertheilchen ver 
halten sich in der Zelle selbst wie der Zucker oder das Kohlehydrat, 
welche einBestandtheil des Zellinhaltes sind; sie zerfallen in Folge der 
auf sie einwirkenden Thätigkeit in Alkohol und Kohlensäure (oder 
Bernsteinsäure, Glycerin und Kohlensäure); es tritt, wie man alsdann 
sagt, die Gährung des Zuckers ein. 
Es ist bis jetzt kein wohlerwiesener Fall bekannt, in welchem sich 
Hefe ohne Zucker gebildet hat, oder in welchem Zucker in Alkohol 
zerfallen ist, ohne Gegenwart und Mitwirkung von Hefezellen 2 ). 
Die Bedeutung des pflanzlichen Organismus für die Erscheinung 
der Gährung scheint hiernach klar zu sein, insofern nur durch dessen 
x ) Ann. Chem. Pharm. CLIII, 30 Ms 32. 2 ) Obiges wurde von Liebig 
bereits 1869 vor dem Bekanntsein der Erregung alkoholischer Gährung auch 
durch andere Organismen geschrieben. 
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