304 Gruppe III. Chemische Industrie.
setzt ist, mehr Weinstein enthalten, als ein sonst gleicher Wein, aufweichen
schon ein niederer Wärmegrad eingewirkt hat. Wird daher ein Wein
unter den niedersten Wärmegrad abgekühlt, dem er schon ausgesetzt
war, so scheidet sich Weinstein aus dem Wein ab. Ich erhielt eine
grössere Anzahl Proben älterer und jüngerer Weine aus Griechenland,
welche sämmtlich eben durch Abscheiden von Weinstein schon auf der
Reise hierher trüb wurden.
Da der Weinstein dem Wein einen etwas rauhen Geschmack ertheilt,
so wird der Wein milder, wenn er einem niederen Wärmegrad ausge
setzt wird und sich dabei Weinstein abscheidet.
Nach den Untersuchungen von Berthelot und A. de Fleurieu )
und nach meinen Weinsteinbestimmungen 2 ) ist der ältere Wein sehr
häufig nicht mit Weinstein gesättigt, was daher rühren kann, dass der
Wein schon einem erheblich niedereren Wärmegrad ausgesetzt war und
der in Krystallen abgeschiedene Weinstein sich nicht wieder löste, oder
aber es wurde von dem Weinstein im Wein zersetzt. Eine solche Zer
setzung von Weinstein durch Pilze hat denn auch Neuhauer 3 ) nach
gewiesen.
Ausser dem Weinstein können noch andere, nicht näher bekannte
Bestandtheile des Weines durch Kälte abgeschieden und so ein Trüb
werden desselben bedingt werden. Ich verweise auf den späteren Ab
schnitt „Trübwerden der Weine“.
VI. Krankheiten der Weine.
1. Abnahme des Weingeistes und Bildung von Essig
säure im Weine.
Die Thatsache, dass der Wein in einem nicht vollen Gefäss an
Stärke abnimmt und zuweilen sauer wird, ist schon längst bekannt und
hat man das Verschwinden des Weingeistes dem Verflüchtigen dessel
ben und die Essigbildung einer eigenen säuern Gährung zugeschrieben.
Chaptal vermuthete schon, dass der Kahm (fleurs du vin) aus
Pflanzen bestehe und sagt von ihm, dass er immer das Sauerwerden
des Weines anzeige und ihm vorausgehe, dass er ferner je nach dem
Gehalt an Extractivstoflen stärker oder weniger stark auftrete.
Erst Pasteur hat bestimmter nachgewiesen, dass sowohl das
Schwächerwerden des Weines als die Bildung von Essig mit dem Vor
handensein mikroskopischer Pflänzchen Zusammenhänge. Er unter
scheidet Mycoderma vini und Mycoderma aceti, welche beide sich an
*) Fleurieu, Compt. rencl. LVII, 394. 2 ) Nessler, Der Wein, seine
Bestandtheile u. s. w. 8. 8 ) Neubauer, Ann. d. Oenol. 1872, 85,