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Volltext: Chemische Industrie, Wiener Weltausstellung Heft 21

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Gruppe III. Chemische Industrie. 
Digeon x ) liess sich die Anwendung der Blätter und Früchte des 
Johannisbrodbaums (Ceratonia siliqua) als Gerbmaterial (für Frankreich) 
patentiren. 
Eine wissenschaftliche Begründung des Wesens der Gerberei ist 
erst eine Errungenschaft des letzten Decenniums. Die früheren Ansich 
ten gingen alle dahin, dass das Leder eine chemische Verbindung der 
thierischen Haut mit Gerbstoff sei. 
Erst die bahnbrechenden Untersuchungen Fr. Knapp’s 3 ) zeigten 
auf das Schlagendste, dass Leder unmöglich eine chemische Verbindung 
sein kann. Es gelang ihm ohne allen Gerbstoff Leder zu erzeugen durch 
Verdrängen des Wassers aus den Poren der Haut mittelst Chlorcalciums 
und wasserfreien Aethers und durch Zusammenbringen eines solchen 
Leders mit Wasser es wieder in Haut zu verwandeln. Knapp’s Ver 
suche zeigten, dass bei der Gerbung das Gerbmittel nicht in bestimmten 
unveränderlichen Verhältnissen von der Haut aufgenommen wird, son 
dern dass diese ganz von der Concentration und Natur des Lösungs 
mittels abhängen. Die Gerbmittel haben keine andere Bedeutung, als 
dass sie in die Poren der Haut eindringen, die Fasern umhüllen resp. sich 
auf ihnen durch Flächenanziehung niederschlagen. Dadurch wird das 
Zusammenkleben der Fasern beim Eintrocknen der Haut verhindert, 
sie bleibt geschmeidig und biegsam, ist in Leder verwandelt. Leder ist 
keine chemische Verbindung, sondern ein mechanisches Gemenge; es 
ist Haut, deren Fasern durch Umhüllung mit einem Gerbmaterial ver 
hindert sind, beim Trocknen zusammenzukleben. Bei der Lohgerberei 
wird die Faser nach dem Präpariren mit Kalk mit Gerbstoff, bei der 
Weissgerberei mit einem Thonerdesalz imprägnirt, bei der Sämisch 
gerberei mit Fett überzogen. Ganz ebenso wirken auch Eisenoxyd- 
und Chromoxydsalze und Pikrinsäure. Knapp hält die Gerberei nur 
für einen speciellen Fall des Processes der Färberei und vergleicht die 
Verschiedenheit der Kraft, mit welcher bei der Loh- und Weissgerberei 
der Gerbstoff auf der Haut festgehalten wird, mit den echten und un 
echten Farben. 
In seiner zweiten Untersuchung über das Wesen der Weiss 
gerberei 3 ) machte Fr. Knapp die Wirkung des Alauns und des Koch 
salzes und der sogenannten „Nahrung“ zum Gegenstand des speciellen 
Studiums. 
Von weiteren neueren Arbeiten über die Theorie des Gerbens ist 
zunächst zu erwähnen die Untersuchung von A. Rollet 4 ), welcher auf 
mikroskopisch - chemischem Wege nachwies, dass bei Behandlung des 
!) Digeon, Bull. soc. chim. 1873, XX, 333. 2) Knapp, Natur und 
Wesen der Gerberei und des Leders, München 1858; Dingl. pol. J. CXLIX, 
305, 378. 3 ) Knapp, Dingl. pol. J. CLXXXI, 311. *) Rollet, Sitzungs 
bericht d. Wiener Akad. XXX, 37.
	        
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