Die Industrie der Fettkörper und das Glycerin. 505
versetzt es mit Schwefelsäure, zerlegt dadurch die Seifen und fällt einen
Theil des Kalks als Gyps. Umgekehrt neutralisirt man die aus der
Schwefelsäurezerlegung der Fette stammenden, meist unreineren und
stärker gefärbten Glycerin wässer mit Kalk oder kohlensaurem Baryt und
verdampft hierauf in offenen eisernen Bassins, in denen Dampfröhren
liegen, bis zu 20, 25, oder falls das Rohglycerin einen weiten Transport
durchzumachen hat, selbst auf 30° B. In diesem Zustande gelangt es
zum Raffineur, welcher meist ohne Auswahl alle eintreffenden Posten in
ein und dasselbe ausgemauerte Bassin fliessen lässt und somit wohl in
allen Fällen von einem Rohglycerin ausgeht, welches durch unzersetzte
Fette, Fettsäuren, Farbstoffe, Gyps und andere Mineralstoffe verunrei
nigt ist. Die Menge der unverbrennlichen Bestandtheile wechselt im
Rohglycerin des Handels zwischen 0'3 und 1'3 p. C.
Die weitere Behandlung dieses Rohglycerins ist eine verschiedene,
je nachdem raffinirtes oder destillirtes Glycerin gewonnen werden soll.
Im ersteren Falle verdünnt man auf etwa 10° B., neutralisirt, falls noch
freie Schwefelsäure vorhanden ist, mit Kalk und entfärbt durch Kochen
mit gekörnter Knochenkohle, wodurch auch die Fettreste und Kalk we
nigstens theilweise fortgenommen werden. Das entfärbte, aber noch
sehr verdünnte Glycerin lässt sich in offenen Gefässen nicht auf die
übliche Concentration bringen, ohne sich wieder zu färben;, man lässt
es daher in einen Yacuumkessel überfliessen, in-dem es bei Luftabschluss
eingekocht wird. Trotzdem ist häufig ein nochmaliges Erhitzen mit
Knochenkohle und Filtriren nöthig. Gegenwärtig wendet man wohl
allerorten dabei die bekannten Filtrirvorrichtungen der Zuckerraffinerien
an, aber noch vor wenigen Jahren veranlasste die grosse Schwierigkeit,
alsdann alles Glycerin absolut klar zu erhalten, einzelne Fabriken täg
lich Hunderte von Papierfiltern zum Filtriren aufzustellen. Statt der
Schwefelsäure benutzen manche Fabrikanten Oxalsäure zur Entfernung
des Kalks, ein Verfahren, welches nur dann gerechtfertigt erscheint,
wenn das Glycerin zur Seifenfabrikation verbraucht werden soll, in an
deren Fällen den Nachtheil mit sich bringt, dass ein im Glycerin ver
bleibender Ueberschuss von Oxalsäure zur Bildung von Formin und
Ameisensäure Anlass giebt und dem Glycerin hautreizende Eigenschaf
ten ertheilt 1 ). Dynamitfabriken verlangen chlorfreies Glycerin; für
ihren Zweck und früher auch für medicinische Anwendungen fällt der
Raffineur mit salpetersaurem Silber, darauf vertrauend, dass wohl Nie
mand die salpetersauren Salze im raffinirten Glycerin suchen werde.
Jedenfalls wird dann wieder eine Behandlung mit Schwefelwasserstoff
nöthig, was alles nicht sonderlich zur Verbesserung des Glycerins bei-
x ) Stelzner, Dingl. pol. J. CLXXXIV, 540; Wagn. Jahresber. 1863, 319.
V. Burgemeister, Das Glycerin, Berlin 1871. — Eine Beinigungsmethode
mit Hülfe von schwefelsaurer Thonerde und kohlensaurem Kalk liess sich
J- Casthelaz, Bull. Soc. chim. [2], 21, 374, patentiren.