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Gruppe III. Chemische Industrie.
weil es vor dieser Zeit häufig an den nöthigen Arbeitskräften fehlt,
anderentheils aber um die Ausbeute an Faser möglichst zu steigern.
In der Regel bildet die Jutepflanze einfache schlanke und aufrecht
stehende mit Blättern besetzte Stengel, welche nur an den Gipfeln eine
geringe Verästelung zeigen. Die nahe an der Wurzel abgehauenen von
den Blättern und Fruchtkapseln befreieten Stengel werden gewöhnlich
im frischen Zustande, zuweilen auch nachdem sie einige Zeit an der Luft
gelegen, in lose Bündel gebunden und durch Auflegen von Erdklumpen
beschwert, in stehendes oder nur sehr langsam fliessendes Wasser ein
gesenkt. In 5 bis 6 Tagen oder nach Umständen in 8 bis 10 Tagen ist
der Röstprocess beendigt und die Rinde erweicht und leicht ablösbar
geworden. Die Bündel werden nun von dem im Wasser stehenden Ar
beiter geöffnet nnd die Rinde vom inneren holzigen Kern der Stengel
abgestreift. Durch heftiges Hin-und Herbewegen im Wasser werden die
äusseren Rindenschichten und unnützen Anhängsel abgelöst und hin
weggeschwemmt und so die eigentliche Bastschicht in reinem Zustand
erhalten. Durch Schwingen in der Luft von der Hauptmenge des Was
sers befreit wird endlich die so erhaltene Faser, auf dem Boden aus
gebreitet oder an der Luft aufgehängt, vollends getrocknet.
Durch diese einfache Behandlungsweise ist der Jutebast nicht allein
vollständig abgeschieden, sondern es ist durch diese Wasserröste Alles
bis auf die Bastfaserbündel entfernt, welche nun eine mehr oder weni
ger feine, lose, zusammenhängende, faserige Masse bilden und so ohne
weitere Zubereitung die Jute des Handels liefern. Es verdient angeführt
zu werden, dass nur bei der Zubereitung der für den Exporthandel be
stimmten Jute der Röstprocess bis zu einem so hohen Grad der Zer
faserung des Bastgewebes getrieben wird, um die Faser möglichst fein
faserig, rein und von heller Farbe zu erhalten und ihr das herkömmliche
Ansehen zu geben. Die Eingeborenen wissen aber recht wohl, dass
dieses auf Kosten der Festigkeit der Faser geschieht und für den eige
nen Gebrauch rieten sie daher die Stengel viel weniger. Sie geben
dem so erhaltenen unansehnlichen und dunkler gefärbten Product seiner
grösseren Festigkeit halber mit Recht den Vorzug.
Diese Erfahrung in Zusammenhang mit der schon oben gemachten
Bemerkung über die Abhängigkeit der Qualität der Jutefaser von dem
Entwickelungsgrad der Pflanze machen die ausserordentliche Verschie
denheit erklärlich, welche die zahlreichen Jutesorten zeigen; es treten
hier offenbar dieselben Schwierigkeiten auf wie sie bei der Flachs- und
Hanfbereitung nur allzubekannt sind >).
*) Es ist wohl mit ziemlicher Sicherheit anzunehmen, dass die in der
Elachsbereitung gemachten Verbesserungen sich principiell auch bei der Jute
verwenden lassen werden, doch dürfte die Einführung derselben in Indien in
der grossen Abneigung gegen alle Neuerungen der Eingeborenen ein unüber
windliches Hinderniss finden.