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Gruppe III. Chemische Industrie.
Materialien für die Papier-Industrie.
Mit dem allmäligen Verfall des römischen Reichs und dem damit
in Zusammenhang stehenden Rückgang der Cultur und Civilisation
verminderte sich mehr und mehr der Bedarf des seit den ältesten Zei
ten fast ausschliesslich als Schreibmaterial benutzten Papyrus und die
vormals so wichtige, hauptsächlich in Alexandrien betriebene Fabrika
tion dieses Artikels verlor endlich alle Bedeutung 1 ).
x ) Mit dem Aufhören des Gebrauchs von Papyrus verschwand auch die
Pflanze selbst wieder aus j enen Gegenden, nach welchen sie muthmaasslich im
Laufe der Zeit eingeführt und wo sie mit grosser Sorgfalt cultivirt worden war.
Die echte Papyrusstaude, Papyrus antiquorum oder Cyperus papyrus L. ist
daher eine botanische Seltenheit geworden, welche sich jetzt nur noch am
oberen Nil, in der Euphrat- und Jordangegend und in Sicilien an mehreren
Orten, so bei Syracus am Fluss Anape (an der sogenannten Quelle der Cyane)
findet. Der etwas abweichende Habitus der Papyruspflanze, wie sie jetzt in
Sicilien (hier Papero genannt) wächst und welcher mit dem der in Syrien vor
kommenden übereinstimmt, hat zu der vielfach ausgesprochenen Meinung Ver
anlassung gegeben, dass diese eine verschiedene Pflanze sei und überhaupt im
Alterthum, wenigstens in Aegypten nicht zur Herstellung des Papyrus ver
wendet worden sei. G. Bauhini, Pinax Theatri botanici. Basileae 1671.
Pariatore hat neuerdings noch diese Ansicht in einer langen Abhandlung
{Mein, presente par divers Savants ä Vacademie des Sc. XII, Vol. Paris)
verfochten und diese Abart, welche erst im X. Jahrhundert durch die Araber
aus Syrien nach Sicilien eingeführt worden sein soll, Cyperus syriacus ge
nannt. Diese Ansicht scheint jedoch nicht stichhaltig zu sein und sollen auch
die Verschiedenheiten, welche zwischen dieser und der altägyptischen Papyrus
pflanze bestehen, nur scheinbare sein, welche die Aufstellung einer besonderen
Species nicht rechtfertigen.
Die Substanz, welche das Material zur Erzeugung des Papyrus lieferte,
ist das weisse, mit Gefässbündeln reichlich durchsetzte Mark der 3 bis 5 cm
dicken, abgerundet dreiseitigen 2 bis 5 m langen Stengel. Dieses ausge
schälte Mark wurde im frischen und noch feuchten Zustande mit besonderen
nadelartigen Instrumenten in dünne Schichten oder Häutchen zertheilt, diese
wurden dann auf einer ebenen Unterlage der Breite nach dicht neben ein
ander ausgebreitet und über dieselben eine zweite und endlich eine dritte Schicht
solcher Häutchen in der Weise aufgelegt, dass sie die vorhergehende Schicht
unter einem rechten Winkel kreuzten. Durch Pressen wurden nun diese
Schichten zu einem Blatte vereinigt und das feste Zusammenhaften derselben
entweder durch den natürlichen Saft des Markes oder durch Ueberstreichen
mit einem besonderen Klebmittel bewerkstelligt. Nach dem Trocknen wurde
durch Schlagen mit Hämmern und Reiben mit Elfenbein die Oberfläche ge
glättet und endlich den bestimmten Grössen nach zugeschnitten.