Pflanzenfaser. 81
Eigenschaften besitzen, in ungleich reichlicheren Mengen als die Spinn
faser im Pflanzenreich Vorkommen, so wurde man sich in der Papier
technik doch bald darüber klar, dass von den vielen bereits in Vor
schlag gebrachten Hadernsurrogaten nur eine sehr geringe Anzahl den
nothwendigen Anforderungen entsprechen konnte.
Die Maschinenpapierfabrikation arbeitet gegenwärtig in so gros
sem Massstabe, dass eine selbst nur theilweise Benutzung eines Sur
rogats schon ganz bedeutende Quantitäten desselben voraussetzt und
daher solche Materialien von vorn herein ausgeschlossen bleiben
müssen, welche nur zeitweise oder in limitirten Mengen zu beschaffen
sind. Andererseits sind die Transportkosten des Rohmaterials, die
Kosten der Abscheidung der Faser, die Dauer des Processes und die
Grösse der Ausbeute selbstverständlich von erster Bedeutung.
Mit Ausnahme der Baumwolle und anderer Samenhaare, welche
als isolirte Faserzellen im reinen Zustand auftreten, bilden alle übri
gen Pflanzenfasern nur Bestandtheile mehr oder weniger complicirt
zusammengesetzter Pflanzentheile und die Abscheidung derselben er
fordert daher, dass die damit verbundenen oder darin eingelagerten
Substanzen und die untauglichen Gewebeelemente entfernt und die
Faserzellen in reinem und isolirtem Zustande abgeschieden werden.
Die Gewebeelemente, welche die textilen Fasern liefern, sind ohne
Ausnahme Bastgewebe oder in selteneren Fällen Blattfaserbündel, deren
Aufbereitung schon durch den Wasserröstprocess oder durch einfache
mechanische Operationen bewerkstelligt werden hann, jene Pflanzen
materialien aber, welche der Papierfabrikation zur directen Verarbei
tung auf Faser zu Gebote stehen, enthalten diese in einem viel fester
gebundenen oft stark verholzten Zustande und es lässt sich daher die
Trennung von den Nebenbestandtheilen nicht durch diese Verfahrungs-
weisen praktisch ausführen, da dieselben in diesem Falle zu langwierig
oder zu kostspielig sein würden.
Die bis jetzt als neue Papiermaterialien in Anwendung gekomme
nen Substanzen sind der Hauptsache nach gewisse langgestreckte faser
reiche Blätter wie das Esparto, oder verholzte Pflanzentheile, wie Stroh
und Bambus, oder verschiedene weiche Holzarten. Es versteht sich
aber wohl von selbst, dass in der Aufbereitung dieser Substanzen die
Abscheidung der Faser nicht immer bis zur Herstellung derselben im
völlig reinen Zustande getrieben wird, da sich ja auch Papier schon
aus Stoffen erzeugen lässt, welche vom Rohmaterial nur um wenige Ope-
ratiosstufen entfernt sind, wie dies bei den ungebleichten Packpapieren
u. dgl. der Fall ist. Ebenso ist der geschliffene Holzstoff, vielleicht
das wichtigste aller Papierstoffsurrogate, nur mechanisch zerfasertes
Holzgewebe, welches, obgleich es neben der eigentlichen Fasercellulose
wohl gegen 30 p. C. andere Substanzen enthält, dennoch als Papier
stoff eine höchst wichtige Rolle spielt.
Wiener Weltausstellung. UI. I. 2. G