Internationale
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Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde
Herausgeber: Norbert Ehrlich
20. Jahrgang Wien, 15. Dezember 1928 Nr. 24
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Die Sammlerwelt wird zur Zeit durch einen
plötzlich aufgetauchten Streit über die Echtheit
zahlreicher Gemälde des berühmten französischen
Meisters Vincenz van Gogh beunruhigt. Der Ber
liner Kunsthändler Otto Wacker, der im Vorjahre
die Ausstellung von Handzeichnungen van Goghs
arrangierte, war im Besitze von dreißig Bildern des
Meisters, von denen die meisten inzwischen an be
deutende deutsche, Schweizer und amerikanische
Sammlungen zu hohen Preisen weiterverkauft wor
den sind. Jetzt ist der holländische Verfasser des
Kataloges über das Werk van Goghs, de la F ai 11 e,
mit der Behauptung hervorgetreten, daß alle diese
Bilder nicht echt seien. Er habe die Bilder in
den Katalog als authentische Gemälde van Goghs
aufgenommen, sehe sich aber bemüßigt, jetzt seinen
Irrtum einzubekennen, Er veröffentlicht gleichzeitig
eine Liste der nach seiner Ansicht gefälschten van
Goghs, die wir hier folgen lassen:
Selbstporträt (Sammlung Silberberg-Breslau, Her
kunft Wacker-Berlin)
Stilleben mit Brötchen (Sammlung Thannhauser-
München)
Panorama bei St. Maries (Sammlung Wacker)
Häuser in St. Maries (Sammlung Gildemeister-Ham
burg, Herkunft Wacker)
Selbstporträt van Gogh (Kunstsammlung Tannhauser-
München, Herkunft Wacker)
Selbstporträt vor der Staffelei (Sammlung Chester
Dale-New-York)
Zuave (Sammlung Otto Krebs - Holzdorf, Herkunft
Wacker)
Garten (Sammlung Wacker)
Zypressen (Sammlung Wacker)
Zypressen (Sammlung Wolff-Hamburg, Herkunft
Wacker)
Weg in den Alpen (Sammlung Tannhauser, Her
kunft Wacker)
Bauer nach Millet (Kunstsammlung Wacker)
Säer (Kunsthandlung Hugo Perls-Berlin, Herkunft
Wacker)
Säer (Kunsthandlung Matthiesen-Berlin)
Oelbaum (Sammlung Gildemeister-Hamburg, vordem
Kunsthandlung Perls-Berlin)
Landschaft in der Sonne (Kunsthandlung Matthiesen-
Berlin, Herkunft Wacker)
Heuschober (Privatsammlung Schweiz)
Zypresse (Kunsthandlung Hugo Perls-Berlin, Her
kunft Wacker)
Felder (Kunsthandel Hodebert-Paris, Herk. Wacker)
Felder (Kunstsamml, Perls-Berlin, Herkunft Wacker)
Kornfeld (Sammlung Dr. Krebs-Holzdorf, Herkunft
Hugo Perls-Berlin)
Landschaft mit Baum (Kunsthandel Perls-Berlin)
Boote in St. Maries (Privatsammlung Schweiz)
Selbstporträt mit verbundenem Ohr (Privatsamm
lung Schweiz)
Zuave (Privatsammlung Schweiz)
Heuschober bei Mondaufgang (Sammlung Wacker-
Paris)
Stilleben (Privatsammlung Schweiz)
Oelbaum (Privatsammlung Zürich)
Oelbaum (Privatsammlung Schweiz)
Die beiden Zypressen (Privatsammlung Schweiz).
Das »Berliner Tagblatt« hat den bekannten
Kunsthistoriker Julius Meier-Gräfe, der als der
beste van Gogh-Kenner in Deutschland gilt, um seine
Ansicht befragt und Meier-Gräfe hat folgende Mit
teilungen gemacht: »Es handelt sich um etwa dreißig
Bilder van Goghs, die sämtlich in dem Katalog von
de la Faille publiziert sind. Einige von ihnen habe
ich begutachtet und für echt gehalten, und diese Bil
der werden angezweifelt, weil sie erstens aus der
selben ungenannten Sammlung eines in der Schweiz
lebenden Russen stammen, zweitens, weil sie mei
stens schwache Wiederholungen anderer Bilder van
Goghs sind.
Die Bilder wurden durch den Berliner Kunst
händler Otto Wacker, bei dem die schöne Ausstel
lung der Zeichnungen van Goghs stattfand, in den
Handel gebracht. Wacker behauptete, verpflichtet
zu sein, die Herkunft nicht nennen zu dürfen, als ich
ihn vor etwa drei Monaten auf diese dreißig Bilder
ohne sichere Herkunft aufmerksam machte, Da ich
mich damals, so gut es eben ging, mit einigen Re
produktionen nach einigen von den Bildern beschäf
tigte, zweifelte ich an der Echtheit, und dieser Zwei
fel ist auch heute noch nicht behoben. Zu der siche
ren Ansicht aber, es handle sich um Fälschungen,
bin ich ebensowenig gelangt. Van Gogh war nie ein
Maler mit sicherem Niveau, und sein Werk ist voll
von vielen schwachen Bildern neben den viel selte
neren Perlen, und diese schwachen Bilder sind von
den echten sehr schwer zu unterscheiden. Nach mei
ner Ansicht gewährt in vielen Fällen nur die Her
kunft eine sichere Garantie.
Ich habe damals, als ich zu zweifeln begann,
sofort de la Faille, der sich bis dahin nicht ge-