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aufrechten Figuren. Auch sonst noch kommen, am Äußeren und im Inneren der Kirche
zerstreut, ziemlich viele Bildwerke vor. Am Fuße eines Pfeilers schreiten Löwen,
an einem anderen sieht man statt des Eckblattes ein phantastisches Thier, das die Basis
erklettert; an einem Pfeilerkapitäl sieht man eine Groteskfigur, die Einer an einem Stricke
zerrt, während ein Anderer sie stupst; dann wieder halten zwei Engel ein Buch in den
Händen, oder es flechten unter schönem Lanbornament zwei Vögel ihre Hälse in einander.
Ein Relief an der südlichen Längswand stellt einen Triton vor. Am Schlußsteine der
wohlerhaltenen nördlichen Apsis sieht man das Reliefbild eines Engels, der ein Weih
rauchfaß schwenkt; an der Außenseite der Apsis ist über einer, diese gliedernden Säule
Simson zu sehen, der den Löwen würgt, und über einer zweiten ein Greif im Kampfe mit
einem anderen Fabelthier. An der Wand der nämlichen Apsis erscheint die Gestalt eines
Löwen. An der Wand des nördlichen Querschiffes steht in zwei nebeneinander befindlichen
Nischen je ein stämmiger Mann in der Toga; der eine ist St. Peter, der andere unbekannt;
er trägt eine flache Mütze auf dem Kopfe und hält in der niederhängenden Hand ein Buch.
Ein zweites Relief zeigt zwei Männer, die sich umarmen, ein drittes eine sitzende Grotesk-
fignr, ein viertes eine Sphinx, ein fünftes einen Thierkvpf. In die Wand des (später
erbauten) Chores ist ein von anderswo hieher geschafftes Relief eingefügt, das den heiligen
Michael, den Schutzheiligen dieser Kirche, im Kampfe mit dem Drachen darstellt. Denken
wir uns zu alledem noch die Statuen hinzu, die ohne Zweifel das zerstörte Chor und die
Westfa^ade geschmückt haben, so kann sich die Karlsburger Kathedralkirche zwar an
Reichthum des Plastischen Schmuckes noch keineswegs mit den Kirchen der französischen
Benediktiner,, oder irgend einer oberitalienischen messen, allein dies läßt die Thatsache
unberührt, daß die Freude an plastischem Schmuck einen Charakterzug des Erbauers
dieser Kirche gebildet hat.
Wer war nun der Meister, der dieses auf ungarischem Gebiete unvergleichliche
Werk romanischer Baukunst geschaffen hat? Oder, wenn diese Frage nicht zu beantworten
ist, versuchen wir wenigstens annähernd zu ermitteln, welcher Schule des Westens er
angehört hat. Es heißt, die Baumeister, die sich den Ansiedlern angeschlossen hatten und die
Karlsburger Kirche erbauten, seien aus der Bamberger, Naumbnrger, also ostfränkischen
Schule gewesen. Diese Ansicht wird dadurch unterstützt, daß die Karlsburger Kirche einige
Ähnlichkeit mit der Bamberger und Naumbnrger hat, doch sind diese Kirchen in der Anlage
viel reicher und vielthürmig. Auffallend ist es, daß, während es in Ungarn zu dieser Zeit
bei den Kathedralkirchen sozusagen Regel ist, vier selbständige Eckthürme anzubringen, die
Karlsburger Kirche blos über der Vierung der Schiffe einen Thurm besaß. Dies
rechtfertigt es einigermaßen, wenn man ihre Herkunft in der Heimath der thurmlosen
Kirchen, namentlich der Lombardei sucht, von wo sie über Dalmatien zu uns gelangt sein