nag Srlwlaxser
STERREICHISCHE
LASKUNST ZUR
ONGRESSZEIT
An der Wende des Jahrhunderts stand ein
Mann, der all das, was zu seiner Leistung
nötig war, in Perfektion beherrschte, oder der
die Grenzen seines Könnens so genau kannte,
daß er darüber hinaus nicht strebte: Johann
Joseph Mildner. Einer kleinen Glashütte in
Niederösterreich zugehörig, den äußeren Le-
bensbedingungen nach fast ein Hinterwäldler,
der mit beflissenen Widmungen die Hand nach
der XVelt ausstreckte, war er der Schöpfer von
Gläsern, die er mit dem Diamanten, mit dem
Schneidrad bearbeitete, an denen er Medaillons,
Ränder und Böden verdoppelte, sie mit Gold,
Silber, Tusche und bunten Farben verzierte;
Porträts, Wappen, erlesene Kalligraphie und
kleine Bilder produzierte, und in dem Be-
wußtsein seiner singulären Leistung seine
Arbeiten signierte.
Seit man Trinkgefäße aus Glas vcrfertigte,
bemalte man sie auch. Anfangs war der Dekor
nur der menschlichen Eitelkeit gewidmet:
Wlappen, Beruf (nur gelegentlich religiöse
Themen); Politik für den Stammtisch. So
standen diese Humpen, groß und größer, auf
den Büfetts und Schenktischen und waren
zuweilen recht derbe Produkte. Nürnberger
Maler ziehen kleine Gläser vor und pflegen
eine zartere Bemalung: Landschaften, Vedu-
ten, Allegorisches und Mythologisches. Der
Schwarzlotdekor im frühen 18. Jahrhundert
ist fast ein Ersatz für das Gravieren mit dem
Schneidrad, hier wie dort umspielt krauses
Laub- und Bandelxverk figurale Darstellun-
gen.
Aber mit dem 19. Jahrhundert beginnt für
den Emailclekor ein neues Kapitel, diesesmal
vorwiegend mit transparenten Farben. Samuel
Mohn und Gottlob Samuel Mohn, Vater und
Sohn, Dresden und Wien. Der Vater spricht
selbst von einer kleinen „Fabrick, in der
'l"rinkgläser von allen Sorten mit Landschaften,
Allegorien, Decorationen und Musik nebst
Texten" bemalt werden; auch politische
Ereignisse wurden nützlich befunden. Helfern
stand es frei, Contrasignaturen anzubringen.
Die Gläser sind zylindrisch oder werden am
Mundrancl etwas weiter; ein Kranz aus
Eichenlaub oder aus Blumen zieht sich über
der eigentlichen Darstellung hin.
Die Mohn-Produktion wurde abgelöst durch
die Erzeugnisse eines Teams, dessen Mitglieder
namenlos blieben, nur der Anführer ist be-
kannt, nur er hat manche Gläser signiert, nur
auf seinen Namen lautet die Geschäftskarte,
von ihm mag wohl auch die ursprüngliche
ldee stammen, doch mag er der steigenden
Nachfrage allein nicht mehr gewachsen ge-
wesen sein: Anton Kothgasser.
Bald hatte man im sogenannten „Ranft-
becher" - vorragender, kräftig gekerbter
Fußrand, nach oben leicht ausschwingende
Gefaßwand H die neue gefällige Form ge-
funden und bis auf seltene Ausnahmen auch
beibehalten. Der Themenkreis der Darstel-
lungen war erstaunlich weit gespannt: vor
allem richtige Reiseandenken, Ansichten aus
Wien, aus Wallfahrtsorten, aus Bädern, in
billiger und teurer Ausführung, letztere mit
reicher Vergoldung; viele Blumen in verschie-
denster Verwendung, für Kränze, für Blumen-
Schrift, für die Andeutung von Frauennamen;
Ausschnitt aus dem zylindrischen GlasMd-zcr (Abb. z) 1
Zivilisten und Bergmann