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Objekt: Hohe Warte - Illustrierte Halbmonatsschrift zur Pflege der künstlerischen Bildung und der städtischen Kultur, 3. Jahrgang 1906/07

DIE MIETSWOHNUNG 
AMERIKANISCHE 
MASCHINENMÖBEL 
Niemals dringen wir tiefer in 
den Geift der vergangenen For= 
men ein, als wenn wir das eigene 
Leben und deffen Erfordemiffe 
befragen. Das Leben mit feinen 
fachlichen Forderungen ift die ge= 
meinfameWurzebdieAltundNeu 
verwandtfcbaftlicb verbindet 
NÄHTISCHCHEN UND 
SCHREIBTISCHSTUHL 
Laden für Löffel, Kücbenbeftecke und fcbließlicb auch ein Fad) 
für die notwendige Kücbenwäfcbe. Vom Kücbentifd) wird ver 
langt, daß er eine entfprecbend große Platte aus hartem, 
fcbeuerbarem, ungeftrichenem Holze trägt. Je nach den perfön- 
licben Bedürfniffen werden diefe Küchenanordnungen entweder 
fehr groß und umfangreich fein müffen, die Vorräte an Nahrungs 
mitteln und Gefchirren in verfchiedenen, nach diefen Gefichts- 
punkten zweckmäßig konftruierten Schränken aufbewahrt wer 
den, oder aber es wird bei kleinerem Bedarf nebft dem Tifch 
ein Schrank genügen, ja es gibt amerikanifche Küchenmöbel, 
raffiniert konftruiert, die alles in einem enthalten, Tifch, Gefchirr- 
fchrank und Nahrungsmittelfchrank. In den Mietswohnungen 
find die Küchen übel daran, weil fie klein befchaffen find, wie 
alle Nutjräume, eine böcbft verkehrte Einrichtung, die das Leben 
in folcben Wohnungen unerträglich macht. Dazu kommt die 
Unfitte, daß in der Regel das fchönfte und befte Zimmer in den 
befcbränkten Mietswohnungen für die bloße Repräfentation vor- 
gefehen wird. Man will einen Salon haben, das Überflüffigfte 
der Welt. Man wohnt darin nicht, man benützt ihn nicht, man 
zeigt ihn nur, wenn Befuch kommt. Die künftlerifche Reform 
der lebten Jahre hat diefen Raum feiner Heiligkeit entkleidet 
und der verdienten Lächerlichkeit anheimgegeben. Seither hat 
fich der Salon wieder in das natürliche Wohnzimmer oder in 
das Arbeitszimmer, das Herrenzimmer, Bibliothekszimmer und 
Rauchzimmer gewöhnlich in einem ift, verwandelt, und die be= 
fchränkte Wohnung ift wieder bis in den lebten Winkel mit 
Leben ausgefüllt. Die neuen Forderungen von Hygiene und 
Zweckmäßigkeit haben einen neuen Schönheitstypus für das 
Mobiliar und für die Wohnräume ausgebildet und die Selbft- 
verftändlichkeit aufs neue erhärtet, daß man als Schlafzimmer 
das befte und gefündefte Zimmer wählt, entgegen der ziemlich 
volkstümlichen Meinung, daß dafür das fchlechtefte Zimmer ge 
nüge, weil ein Fremder nicht hineinfieht. □ 
In dem Wohnzimmer wird man nach den örtlichen Verhält- 
niffen entweder eine harmonifch verteilte Anzahl von Glas- 
fchränken oder Vitrinen finden, die die Sammelgegenftände oder 
Kunftwerte, wenn folche vorhanden find, enthalten. Oder man 
wird Schränke finden für Bücher und Mappen in ebenmäßigen, 
übereinftimmenden Größen- oder Höhenverbältniffen, oder man 
wird beides finden oder nichts davon, je nach der perfönlichen 
Art und den Verhältniffen des Inwohners. Sicher wird man 
ein Sofa finden, einen paffenden Tifch und Stühle, vielleicht 
einen Teetifch und ein Arbeitstifchchen am Fenfter. Vielleicht 
auch Blumentifche, wahrfcheinlich ein Klavier, und es kann alles 
fehr reizend fein, wenn die Formen einfach und gut find, wie 
im vorigen entwickelt. Nur in bezug auf das Klavier find wir 
noch fehr fchlecht daran. □ 
Schließlich ift zu bedenken, daß neben dem Wohnzimmer oder 
dem Mufikzimmer ein Arbeitszimmer des Herrn vorzufehen ift, 
wenn der Bedarf vorhanden ift. Hier ftehen Bücherfchränke 
aus hohen und niederen Teilen im Nebeneinander und Über 
einander aufgebaut, an den Wänden fortgefetjt, nicht zu hoch, 
um in die oberften Fächer noch bequem greifen zu können, mit 
Glastüren und einfacher Sproffenteilung darin, vielleicht auch 
die vorhin erwähnten Vitrinen, falls der Hausherr Sammler 
und Kunftliebhaber ift, Schränke für Mappen und Kunftblätter, 
Rauchrequifitenfchrank und Likörfchrank, Lederfauteuils und 
fchließlich das impofantefte Stück des Herrenzimmers, der Schreib- 
tifch. »Wollen Sie einen Schreibtifch mit oder ohne Auffatj, 
einen geraden oder einen halbkreisförmigen?« würde der Händ 
ler fragen. »Nußbolz oder Eichenholz, gebeizt oder poliert, 
lackiertes Weichbolz oder Mahagoni?« Zu erwidern ift, daß ein 
guter Schreibtifch zunäcbft gar nicht davon abbängt, ob er gerade 
oder halbkreisförmig gebaut, gebeizt oder poliert ift. Viel 
wichtiger zu wiffen ift, welche Anfprüche die Art der Arbeit, 
die am Schreibtifch verrichtet wird, an die Benützbarkeit ftellt. 
Der Schreibtifch einer Dame, die gelegentlich ein Billett, der 
Schreibtifch eines Kaufmannes, der Rechnungen fchreibt, und der 
Schreibtifch eines Schriftftellers find von Natur aus wefentlicb 
verfchieden. Was alfo zunäcbft entfcbeidet, ift die perfönlicbe 
Beziehung des Schreibenden zum Schreibtifch, nicht allein in bezug 
auf alles, was der Schreibtifch aufzunebmen bat an Scbriftftücken, 
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