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Gruppe III. Chemische Industrie.
Theorie der Schwefelregeneration.
Die Theorie der hei den verschiedenen Regenerationsverfahren
eintretenden chemischen Reactionen ist im Grossen und Ganzen eine
sehr einfache und im Allgemeinen bei den verschiedenen Verfahren
bereits erwähnt.
Ueber den eigentlichen Verlauf des Oxydationsprocesses, sowie
über die Natur, namentlich der in den Schwefellaugen vorkommenden
Polysulfide wichen aber die Ansichten verschiedener Chemiker lange
Zeit nicht unerheblich von einander ab.
Nach den Herren P. W. Hofmann und E. Kopp soll das in den
Sodarückständen enthaltene einfach Schwefelcalcium durch den Sauer
stoff der Luft zunächst in Aetzkalk und Calciumdisulfid übergeführt
werden. Die erstere dieser Verbindungen würde durch die Kohlen
säure der Atmosphäre in Calciumcarbonat umgewandelt, das Disulfid
sofort zu Calciumhyposulfit oxydirt. Letzteres sollte durch die bei der
Oxydation eintretende Temperaturerhöhung alsbald in Schwefel und
Calciumsulfit gespalten und dieses durch weitere Oxydation in Gyps
übergeführt werden. Der frei gewordene Schwefel sollte sich dann mit
vorhandenem Calciumsulfid oder Calciumdisulfid zu höheren Cälcium-
sulfiden (CaS 3 oder CaS 4 ) verbinden.
Bei dem Auslaugen der Rückstände würden danach vorwiegend'
Calciumhyposulfit neben geringen Mengen des nur schwierig löslichen
Calciumsulfits, sowie Calciumtrisulfid und Calciumtetrasulfid von dem
■Wasser aufgenommen werden; Mond dagegen folgert aus seinen Ver
suchen, dass ausser Calciumhyposulfit wesentlich Calciumdisulfid und
Calciumhydrosulfid in den Laugen anwesend seien.
Stahlschmidt 1 ) weist nun in einer 1872 veröffentlichten Ab
handlung darauf hin, dass in der Wirklichkeit die Dinge doch noch anders
liegen und hebt besonders hervor, dass ausser Calcium- auch Natrium
verbindungen in den Schwefellaugen in nicht zu übersehender Menge
vorhanden sind. Er bezieht sich zunächst auf die Resultate einer
von Schöne 2 ) ausgeführten Untersuchung, wonach niedrige Sulfide
des Calciums als Ca S 4 und Ca S 5 in Lösung nicht existiren können
und zeigt darauf, dass eine schon von Schöne beobachtete Verbin
dung Calciumoxytetrasulfid, nach der Formel 4 Ca 0, Ca S 4 -)- 18H 3 0
zusammengesetzt, sich mit Leichtigkeit und in grösster Menge aus den
durch Auslaugen der oxydirten Sodarückstände gewonnenen Lösungen
durch Versetzen derselben mit Alkohol gewinnen lasse. Aus dieser
Verbindung wird durch Salzsäure unter Schwefelausscheidung Wasser-
x ) S t ah lschmidt, Dingl. pol. J. CCY, 229. 2 ) E. Schöne, Poggend.
Arm. CXVII, 58. Journ. f. prakt. Chem. LXXXVII, 94.