100 Gruppe III.
Wunder, dass bei dem mehr und mehr steigenden Preise dieses werth
vollen Minerals der Erfindungsgeist der Chemiker sich der Ermittelung
von Processen zugelenkt hat, welche die Erzeugung des Chlors ohne
die Mitwirkung des Braunsteins gestatten. Mailet hatte einen Vor
schlag für die Lösung dieser Aufgabe auf die bekannte Fähigkeit des
Kupferchlorürs begründet, Sauerstoff aus der Luft aufzunehmen und in
diesem sauerstoffbeladenen Zustande mit Salzsäure unter Wasserbil
dung zunächst in Kupferchlorid überzugehen, welches dann bei
der Einwirkung der Wärme unter Chlorentwicklung wieder in
Kupferchlorür zurückverwandelt wird. Dieses Verfahren, welches
auch eine Methode der Darstellung des Sauerstoffs im Grossen zu
versprechen schien, insofern die Verbindung des Kupferchlorürs mit
Sauerstoff den letztem beim starken Erhitzen wieder abgiebt — hat
sich jedoch, offenbar des hohen Preises der Kupferpräparate wegen
und auch weil die Reactionen nicht sehr glatt verlaufen, in der
Praxis niemals eingebürgert. Mit ungleich grösserem Interesse sind
daher die chemischen labrikanten den Versuchen des Engländers
Deacon gefolgt, welcher das vorgesteckte Ziel auf einem ganz anderen
Wege erreicht. Schon früher hatte Oxland die bekannte, zumal auch
in Vorlesungen zum Oefteren illustrirte, bei höherer Temperatur erfol
gende Umsetzung einer Mischung von Luft und Salzsäure zu Wasser
und freiem Chlor für die Chlorfabrieation zu verwerthen gesucht,
aber erst Deacon ist es gelungen, die Bedingungen festzustellen,
unter welchen sich diese Reaction mit hinreichender Leichtigkeit,
Sicherheit und Vollständigkeit ausführen lässt, um auf dieselbe den
Vorschlag einer völligen Umgestaltung der bisherigen Methode der
Chlorindustrie zu begründen. Diese Bedingungen sind Erhitzen der
Gase auf 370°—400 J und Berührung derselben mit porösen, kupfer
vitriolgetränkten Massen, welche vorher ausgeglüht worden sind.
Wahrscheinlich vollzieht sich der Process in zwei Phasen, insofern
das in den porösen Massen enthaltene Kupferoxyd durch die Salz
säure zunächst in Wasser und Kupferchlorid verwandelt wird, aus
welchem letzteren dann durch den Sauerstoff unter Chlorentwicklung
wieder Kupferoxyd zurückgebildet wird. Im Grossen wird diese
Operation in der Weise ausgeführt, dass die in eisernen Röhren er
hitzte Mischung der Gase in Apparate eintritt, welche gegen Aus
strahlung der Wärme möglichst geschützt sind. Diese Apparate ent
halten Thonkugeln, welche man mit Kupfervitriol getränkt und dann
ausgeglüht hat. Aus diesen Apparaten tritt das chlorreiche Gas
in Wasser, welches etwa unzersetzte Salzsäure fixirt, um alsdann ge
trocknet in die Chlorkalkkammern geleitet zu werden. Obwohl die
Deacon’sche Methode erst in den letzten Jahren aufgetaucht ist, so
hat sie doch schon in einer grösseren Anzahl englischer Fabriken
Aufnahme gefunden und auch in verschiedenen der wichtigeren chemi
schen Etablissements des Continents, so z. B. in der Kunheim’sehen
Fabrik zu Berlin, ist man bereits mit den Vorbereitungen zur Ein
führung derselben beschäftigt. Die Techniker, welche über die Chlor
fabrieation nach dem Deaeon’schen Verfahren Erfahrungen einzu
sammeln Gelegenheit hatten, verkennen nicht, dass dasselbe noch
einer weiteren Ausbildung bedarf, um allen Anforderungen zu ge
nügen, allein sie sind einstimmig der Ansicht, dass die Arbeiten