Gruppe III.
105
des Siebengebirges und die englische Bogheadkohle, ersterer von der
Gesellschaft Wiesinann & Co. zu Beul bei Bonn, letztere von Noblee
& Co. zu Hamburg. Unkenntniss und Unerfahrenheit führten zu der
Annahme, dass jegliche Braunkohle für die in Rede stehende Industrie
gleich gut zu verwenden sei, ein Irrthum, der bald genug theuer be
zahlt werden musste. Ein grosser Theil der zuerst gegründeten
Mineralöl- und Paraffin - Fabriken musste bald nach Eröffnung des
Betriebes wieder geschlossen werden, weil Ausbeute und Qualität
der gewonnenen Producte nicht entsprachen. Ja, es zeigte sich bald,
dass nur verhältnissmässig wenige Braunkohle geeignet zur Mineralöl-
und Paraffin-Fabrication war und diese fand sich fast ausschliesslich
in dem Regierungsbezirk Merseburg, in der Nähe der Orte Halle,
Weissenfels und Zeitz. Für die Provinz Sachsen ist der fragliche
Gewerbszweig, nachdem er lange um seine Existenz gekämpft, von
der grössten Wichtigkeit geworden. Die Jahresberichte der Halle’schen
Handelskammer erwähnen denselben etwas ausführlicher zuerst im
Jahre 1862‘und geben die Production im Jahre 1861 auf 15,000 Ctr.
Paraffin und circa 64,000 Ctr. Mineralöle an. Nach denselben Be
richten wurden im Jahre 18/1 100,00t) Ctr. Paraffin, .100,000 Ctr.
Mineralöle (Brennöle) und circa 90,000 Ctr. Nebenproducte, meist
Paraffinöle zur Schmier- und Gasfabrication mit einem Handelswerthe
von circa 4 Millionen thlrn. gewonnen. Wenn diese Zahlen für
die ungemein schnelle und grossartige Entwickelung des Industrie
zweiges sprechen, so wird es ein Zeugniss für die colossalen Fort
schritte derselben ablegön, wenn angeführt wird, dass die im Jahre
1871 dargestellten Fabricate im Jahre 1861 mindestens einen Handels
werth von circa 6'/ 2 Mill. thlr. (gegen 4 Mill. thlr. im Jahre 1871)
gehabt haben würden und dabei arbeiteten die betreffenden Fabriken
im Jahre 1871 mit grösserem Gewinne, als im Jahre 1861. Die
ungeheuere Differenz in den Preisen und Einnahmen ist also durch
Ersparnisse im Betriebe, durch die Resultate fortwährend neuer Er
findungen gedeckt wmrden. Ausser Dr. B. Hübner ist es insbesondere
Dr. Rolle, technischer Director der Fabriken der Sächsisch-Thürin
gischen Actiengesellschaft für Braunkohlen-Verwendung, der sich
auf wissenschaftlichem und practischem Gebiete, und Commerzien-
Rath A. Riebeck, der sich auf letzterem grosse Verdienste um die
Paraffin - Fabrication erworben hat. .
Nachdem die technischen Schwierigkeiten, die sich anfänglich
der Industrie entgegenstellten, überwunden waren, hatte dieselbe
hauptsächlich unter dem Drucke der amerikanischen Concurrenz des
Petroleums zu leiden, welches zuerst mit Beginn der 1860er Jahre
nach Deutschland kam. Die heimischen Mineralöle, im Allgemeinen
geringer an Qualität als die amerikanischen, sanken enorm im Werthe
und wurden für den grösseren Markt fast bedeutungslos. Jetzt wer
den dieselben fast ausschliesslich in nächster Nähe der Production
consumirt.
Je mehr man einsah, dass die Zukunft der Braunkohlen-Industrie
in dem Paraffin liege, desto mehr beeilten sich in den letzten Jahren
alle tüchtigen Kräfte, Fortschritte in der Paraffin-Fabrication zu er
zielen. Höhere Ausbeute und billigere Darstellung waren das Resultat
dieser Bemühungen, neue Gesichtspunkte für die Fabrication wurden