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es daher nicht Wunder nehmen, dass diese Fabriken mit dem
»Sturze des Continentalsystems eben so rasch wieder verschwan-
den, als sie entstanden waren. Napoleon I., vom Hasse gegen die
Engländer getrieben, beschützte und förderte die junge Industrie in
jeder nur möglichen Weise, so wies er 1 Million Franken und 32,000
Hectaren Land für den Anbau von Rüben an und errichtete fünf
Fachschulen für den theoretischen und practischen Unterricht in der
Rübenzuckerfabrieation. Die Engländer dagegen boten Alles auf,
um die neue Industrie niederzuhalten. Nach dem Sturze Napoleon I.
ruhte nie Rübenzuckerfabrieation in Deutschland, sie wurde jedoch in
Frankreich selbst beibehalten und durch Einführung wesentlicher Ver
besserungen, so namentlich durch Benutzung des Dampfes für den
Fabrikbetrieb und der gekörnten Knochenkohle für die Reinigung
der Säfte etc. ausgebildet. Erst in den Jahren 1830 bis 1835 sehen
wir sie wieder auf deutschem Boden, um ihn nun nicht wieder zu
verlassen, sich vielmehr an der Hand der Naturwissenschaften kräftig
zu gestalten und auszubreiten. Sie hat seitdem den Colonialzucker
von dem deutschen Gebiete vollständig verdrängt, wenn auch zu
nächst unter der Gunst eines nicht unbedeutenden Schutzzolles, dem
sie erst allmählich entwachsen ist. Seit dem Jahre 1840 finden
wir sie mit einer Steuer von J / 4 Sgr. pro Ctr. verarbeiteter Rüben
belegt, und weit entfernt, durch diese Steuerbelastung gedrückt wor
den zu sein, sehen wir sie von da ab in steter und intensiver Ent
wickelung begriffen, trotzdem diese Steuer seitdem die 32fache Höhe
angenommen hat, und bis auf 8 Sgr. pro Ctr. Rüben gestiegen
ist. Unter dem Einfluss dieser allmählich gesteigerten Steuer und
unter dem Wetteifer und der Concurrenz der verschiedenen Rüben-
bau treibenden Staaten Europas ist die Technik dieser Industrie
dauernd in lebhaftem Fortschreiten geblieben. Ausser der bereits
erwähnten Einführung des Dampfbetriebes und der Benutzung der
gekörnten und datier der Wiederbelebung fähigen Knochenkohle hat
die Zmckerlabrication im Laufe dieser Zeit verschiedene epoche
machende Verbesserungen und Umwälzungen erfahren, von welchen'
die wichtigsten hier kurz aufgezählt sein mögen :
1. Die Saftgewinnung: Einführung der hydraulischen Pressen;
der Centrifugen durch Schöttler, Friclcenhaus und Fesca- des
Maeerationsverfahrens durch Schüzenbach und des schon von
Dombasle empfohlenen, in neuerer Zeit durch Fl. Robert in
Selowitz verbesserten Diffusionsverfahrens.
2. Die Saftreinigung: Einführung der Kalkscheidung; der Kalk-
S Kohlensäure (Saturation) durch Schatten
und .Michaelis; der I ilterpressen; der Schlammentzuckerung
durch Bodenbender. °
3. Das Verdampfen und Einkochen der Säfte: Einführung des
yacuumapparats durch Howard (1812); der Rillieux’schen° Ver-
damplapparate durch Tischbein und Robert (1850).
4. Die Zuckergewinnung aus Melasse: Abscheidung des Zuckers
als Zuckerbaryt durch Dialysiren nach Dubrunfaut; als Zucker
kalk nach Scheibler u. a. m.
Nicht minder ist die Rübenzuckerfabrieation gefördert worden
duich wissenschaftliche Entdeckungen und Untersuchungen zahlreicher