MAK

Volltext: Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild: Böhmen, 2. Abtheilung

664 
Damenkleiderstoffe, durch welche dieser Jndnstriedistrict zu stattlichem Ansehen gelangte; 
die Firmen C. P. Hoffmann, Geipel nnd Jäger, Adler und Klaubert, Weiß, 
Weigandt, Panzer n. s. w. gebenZeugniß dafür. Denselben Fabrikationszweig führte 
der vielverdiente Industrielle und Politiker Karl Wolfrum (geboren 1813, gestorben 
1888) auch in Aussig ein, ebenfalls nicht ohne Nachfolger zu finden. 
Zur selben Zeit wie Wunderlich in Asch und Wolfrum in Aussig legte Benedikt 
Schroll in Hauptmannsdorf bei Braun au den Grund zur Firma „Benedikt Schrotts 
Sohn", deren Träger, Josef Edler von Schroll (geboren 1821, gestorben 1891), den 
alten guten Namen seiner Vaterstadt in der Geschäftswelt wieder zu großen Ehren brachte. 
Die Errungenschaft des Jahres 1848, die Aufhebung des Unterthänigkeits- 
verbaudes, übte, wie sich in jeder Hinsicht schlagend Nachweisen läßt, auf die Cultnrver- 
hältuisse des Landes,vorzüglich aber auf Landwirthschaft und landwirthschaftliche Industrie 
eine überaus wohlthätige Rückwirkung. Den Zweck eines eben im Jahre 1848 vom Laudes 
präsidium ins Leben gerufenen „Ceutralcomite's zur Unterstützung der uothleidenden Erz- 
und Riesengebirgsbewohuer" nennt dessen Name. Die Creiruug einer ständigen legalen 
Vertretung der gewerblichen und mercantilen Interessen insgesammt durch das Institut 
der Handels- und Gewerbekammern bildet einen Markstein auch in der böhmischen 
Jndustriegeschichte. Mit ihr fällt die Einführung des Zolltarifs vom 6. November 1851, 
das heißt eines gemäßigten Schutzzollsystems an Stelle der alten übermäßigen Prohibition, 
zeitlich, aber auch ursächlich zusammen. Es war der dringende Wunsch heimischer Industrie 
und mehr noch des Handels — und dieser Wunsch wurde laut sobald dem Handel und der 
Industrie zu sprechen vergönnt war — dem Verkehr freiere Bahnen zu öffnen. Ein Schritt 
nach vorwärts war der Zoll- und Handelsvertrag vom 19. Februar 1853 mit Preußen 
und den mit Preußen zollverbündeten Staaten. Die böhmischen Kammern verstanden es, 
auf die Leitung der Handelspolitik des Reiches auch später ihren Einfluß zu wahren. 
Seither hat sich in Böhmen schrittweise die Umwandlung des Gewerbes zur Industrie 
überall dort vollzogen, wo der handwerksmäßige Betrieb nicht als natürliche Voraus 
setzung bedingt wird. Nicht ein Produktionszweig blieb zurück, eine Aufzählung wäre 
von Überfluß. Naturgemäß am augenfälligsten zeigte sich dieser Proceß bei der modernsten 
aller modernen Industrien: der Maschineufabrikation, wie schon die Namen 
Ringhoffer, Rnstvn, Danek, Skoda, Bolzano, Tedesco, Umrath, Märky, 
Bromovsky n. s. w. beweisen, deren Zahl leicht um das Doppelte vermehrt werden 
könnte. Nur eines Factums muß uothwendig noch gedacht werden: der Ausschließung des 
sogenannten Duper Braunkohlenbeckeus. Das „größte Kohlenslötz des Eoutiueutes", 
dessen unermeßlicher Schatz, wie einmal behauptet wurde, geeignet wäre, „falls im 
übrigen Europa der Brennstoff ausginge, dasselbe durch mehrere Jahrhunderte mit Kohle
	            		
665 zu versorgen", wurde der böhmischen Industrie erst in den letzten Decennien nutzbar gemacht. Graf Albert Nostitz in Tarmitz war der Erste, der bei dem Kohlenbergbau den Maschinenbetrieb einsiihrte (1857). Seither stieg die Kohlenförderung in diesem Reviere auf jährlich eine Milliarde Zollcentner. Damit ging der Ausbau des Eisenbahn netzes im nordwestlichen Böhmen Hand in Hand, damit aber auch die außerordentliche, stetige Hebung und Förderung der Industrie jenes Landestheils, speciell der Verwaltungs bezirke Aussig-Teplitz. Bereits im Jahre 1858 entstand die chemische Fabrik in Aussig, das größte continentale Unternehmen dieser Art. Da aber das von weiland Kaiser Josef ll. aufgestellte Problem der Anwendung der Kohlenfeuerung bei der Glasindustrie allerdings bereits gelöst war, so war es eine natürliche Folge, daß in genanntem Reviere nach seiner ganzen Ausdehnung eine sehr große Zahl Erzeugungsstätten eben ihrer Gattung (für Tafel- und Hohlglas) errichtet wurde, darunter vor Allem die der Nussiger Glashütten gesellschaft (1871) und die Fabriksanlagen von Friedrich Siemens zu Neusattel- Elb o gen (1878). Unter den übrigen namhaften Gründungen kann selbstverständlich jene des Teplitzer Walzwerkes nebst Bessemerhütte (1873) nicht vergessen werden. Von Anfang an betheiligte sich Böhmen an den modernen Friedensfesten der con- currirenden industriellen Welt, den internationalen Ausstellungen in London, Paris, Wien n. s. w., allerwärts mit anerkannt durchschlagendem Erfolge. Nach mehr als fünfzig jähriger Unterbrechung wurde in Prag auch wieder eine Land es-Industrieausstellung (1891) abgehalten, die sich des Allerhöchsten Besuches und der vollsten Anerkennung Seiner Majestät des Kaisers erfreute. Je mehr wir uns der Gegenwart nähern, desto ansehnlicher häuft sich die Masse industriegeschichtlichen Details, das sich in Kürze nicht mehr bewältigen läßt. Jedwedes Ganze aber — das zeigt sich wohl nirgends deutlicher als in der Geschichte des Handels und der Industrie — wird schließlich doch nur von Einzelnen getragen und die größere oder geringere Bedeutung der Individualitäten läßt eben die Gesammtheit groß oder klein, Werth oder unwerth erscheinen. In erster Linie maßgebend für die von nun an wohl unbestrittene, weil ganz unbestreitbare Thatsache der führenden Stellung Böhmens in allen Volks- und staatswirthschaftlichen Belangen Österreichs war der Reichthum dieses Landes an geeigneten, tüchtigen Persönlichkeiten auf den hier in Frage kommenden Gebieten. Relativ nur Wenigen von ihnen konnte an dieser Stelle andeutungsweise ein bescheidener Nachruf gewidmet werden; den Lebenden möge die Nachwelt die gebührende Würdigung wiederfahren lassen. Mehr als Worte, ja mehr als Namen beweisen Zahlen. Es möge gestattet sein, am Schlüsse wieder zum Anfang znrückznkommen und dem dort, in der Einleitung, Gesagten eine ziffermäßige Übersicht der industriellen Production Böhmens auf Grund der statistischen Erhebungen (vom Jahre 1890) beizufügen.
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.