Geologische Beschaffenheit des Bodens.
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lichtgelb, weicher und poröser als der Nulliporenkalk. Die bekannten Bausteine von St. Marga
rethen bestehen aus diesem Amphisteginenkalk. Stellenweise sind zwischen die Bänke des
Leithakalkes gelbliche Mergel eingeschaltet, welche mit unzähligen Schalen der Amphistegina
Haueri angefüllt sind; beim „Grünen Kreuz“ nächst dem Hause XIX., Kahlenbergerstraße 53
in Nußdorf sind diese Amphisteginenmergel besonders schön aufgeschlossen.
Die dritte Varietät des Leithakalkes enthält in größerer Menge Knollen der Cellepora
globularis; dieser Celleporenkalk spielt im Wiener Becken selbst eine nur untergeord
nete Rolle.
Die Reste der in den Schichten der zweiten Mediterranstufe begrabenen Tierwelt sind
äußerst mannigfaltig. Zahllose Muscheln und Schnecken füllen die Sande von Ottakring, Grinzing,
Pötzleinsdorf; ebenso sind die Tegel von Baden und Vöslau überaus reich an Konchylien
und Korallen; M. Hoernes, R. Hoernes, M. Auinger, A. Reuss und F. Karrer haben
in zahlreichen Abhandlungen die Konchylien, Korallen und Foraminiferen beschrieben.')
Über diese rein marinen Ablagerungen folgen die Bildungen der sarmatischen Stufe,
ausgezeichnet durch einen außerordentlichen Reichtum an Konchylien, gleichzeitig durch große
Artenarmut. Namentlich sind es Schnecken der Gattung Cerithium, welche häufig (C. rubi-
ginosum und C. pictum) ganze Bänke füllen, während die übrigen Arten derselben Gattung
zurücktreten. Man kann in der Hauserschen Ziegelei in Heiligenstadt in den lockeren gelben
Sanden in wenigen Minuten hunderte dieser Cerithien auflesen.
Auch unter den Ablagerungen der sarmatischen Stufe unterscheiden wir Schotter, Kon
glomerate, Sande und Tegel; Bildungen, welche dem Leithakalke entsprechen, fehlen dagegen
gänzlich. Stellenweise sind die Cerithiensande zu einem sehr festen Sandstein verkittet. Dieser
Zug von Cerithiensandsteinen ist auch orographisch sehr deutlich erkennbar; an den mediterranen
Gürtel schließt sich etwas tiefer der sarmatische Gürtel an, welcher von der Hohen Warte
zur Türkenschanze, zur Gloriette, zum Küniglberg bei Lainz, zum Rosenhügel und von da
nach Atzgersdorf und Perchtoldsdorf hinüberzieht. Die Verfestigung des Sandes zu einem festen
Sandstein ist auf die Auflösung der Millionen Cerithienschalen durch die Sickerwässer und
nachherige Ausfällung der Kalklösung zurückzuführen, wodurch die Verkittung der Sandkörner
erfolgte. Aus diesem Grunde finden wir in den Cerithiensanden (wie in Heiligenstadt) die
Schalen selbst, in den Sandsteinen (wie bei Atzgersdorf) aber nur die Steinkerne der Konchylien
erhalten.
Während das Meer der zweiten Mediterranstufe noch in Verbindung mit dem Mittelmeer
stand, ist diese Verbindung in der sarmatischen Zeit aufgehoben. Dieses sarmatische Meer war
eine weite, bis über den Aralsee ausgedehnte zusammenhängende Wasserfläche, aber nur mehr
ein Reliktensee, in welchem noch einige wenige mediterrane Arten in Verbindung mit neu ent
standenen Typen lebten. Die sarmatische Stufe wird dem oberen Miozän zugerechnet. Wieder
verändert sich das Bild: ganz fremdartige Konchylien, unter denen namentlich die Kongerien auf
fallen, welche diesen Schichten den Namen Kongerienschichten gegeben haben, treten in
den Sanden und Tonen dieser Stufe auf, die sich ebenfalls weit nach Osten ausdehnt, über
das Schwarze Meer und den Kaspisee hinausreicht und daher die pontische Stufe genannt
wird. Es sind Ablagerungen aus süßem oder wenig brackischcm Wasser, welche in einzelnen
großen Binnenseen niedergeschlagen wurden und namentlich in der großen österreichisch
ungarischen Tiefebene eine bedeutende Entwicklung erlangen.
Neben Kongerien trifft man in den Ablagerungen der pontischen Stufe vorwiegend Arten
der Gattungen Cardium und Melanopsis an; solche Melanopsissande an der Basis des Kon-
gerientegels waren es, welche dem Baue der Nußdorfer Schleuse im Jahre 1895 bei der Fun
dierung der linksuferigen Mauer unerwartete Hindernisse entgegenstellten. In den Sanden
treten häufig konkretionäre Sandsteinsphäroide auf; der am Hause Schönlaterngasse 7 ange
brachte „Basilisk“ ist offenbar eine derartige Sandsteinkonkretion, welche im Jahre 1212 bei
einer Brunnengrabung entdeckt wurde. Da unter derartigen Sandsteinplatten das Wasser
schwefelwasserstoffhaltig ist, entstand die Sage vom „Basilisken“, dem man die Hervorbringung
der „giftigen Dämpfe“ zuzuschreiben geneigt war. 2 )
■) M Hoernes, Die fossilen Mollusken des Tertiärbeckens von Wien. Abhandlungen der k. k. Geologischen Reichsanstalt
in Wien. Bd. III (Oastropoden) 1856, Bd. IV (Bivalven, beendet von A. Reuss) 1870. — R. Hoernes und M. Auinger, Die Gastro-
poden der marinen Ablagerungen der ersten und zweiten Mediterranstufe in der österreichisch-ungarischen Monarchie. Ebenda. Bd. XII
(unvollendet). — F. Karrer, Geologie der Kaiser Franz Josefs-Hochquellenwasserleitung. Ebenda. 1877, Bd. IX. (Literaturverzeichnis
über das Wiener Becken von 1500—1877, 529 Nummern.)
2) E. Suess, Boden der Stadt Wien. 1862, S. 143, Abb. 19. — Derselbe, Der Boden der Stadt und sein Relief. 1897,
S. 9, Abb. 7.
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Geologisch« Beschaffenheit des Bodens.
Die Tegel dieser Stufe sind in den Inzersdorfer Ziegeleien in außerordentlicher Aus
dehnung aufgeschlossen. Wir treffen somit in den Ziegeleien der Umgebung Wiens drei ver-
schiedenalterige Tegel an: 1. mediterran: Tegel von Baden, Soos, Vöslau; 2. sarmatisch:
Nußdorf, Heiligenstadt, Hernals; 3. pontisch: Laa, Inzersdorf.
Die pontische Stufe gehört bereits dem Pliozän an.
Auf diese Ablagerungen folgen rostgelbe Quarzschotter, welche in früherer Zeit in zahl
reichen Gruben nächst dem Arsenal und Belvedere aufgeschlossen waren und darum den
Namen Belvedereschotter erhalten haben; es sind die Schotter eines mächtigen Flusses,
welcher in der Pliozänzeit das Wiener Becken durchzog.
Dr. F. X. Schaffer hat vor kurzem mitgeteilt, daß der Belvedereschotter zwei ver
schiedenartige Schotterbildungen umfaßt, den Arsenalschotter und den Laaerbergschotter;
alle in den dem Belvedereschotter untergeordneten Sanden aufgefundenen Säugetierreste sollen
den Kongerienschichten angehören, welche sowohl vom Arsenalschotter wie vom Laaerberg-
schotter durch eine Diskordanz getrennt sind. 1 )
Während sich die Meeresfauna der sarmatischen Stufe von der mediterranen in der
oben geschilderten Weise unterscheidet, vollzieht sich die Veränderung der Säugetierwelt, die
an den Ufern dieser Wasserbecken lebte, in ganz verschiedener Weise. Die Säugetiere der
mediterranen und sarmatischen Stufe sind dieselben und erst in der pontischen Stufe, sowohl
in den Kongerienschichten wie im hangenden rostgelben Quarzschotter des Marchfeldes, sind
die Reste einer neuen Fauna begraben.
Ein reiches Tierleben herrschte zur Zeit der ersten Säugetierfauna an den Ufern des
Wiener Beckens. Menschenaffen (Dryopithecus Darwini und Griphopithecus Suessi), große Dick
häuter (Mastodon angustidens, M. tapiroides, Dinotherium Cuvieri), Nashörner (Rhinoceros
austriacus, Rh. sansaniensis), Pferde (Anchitherium aurelianense), Schvceine, Hirsche und Zibet
katzen bevölkerten die Ufer, während sich im Meere Bartenwale, Delphine (Acrodelphis
Letochae, Cyrtodelphis sulcatus), Seehunde (Phoca vindobonensis) und Seekühe (Metaxytherium
Petersi) tummelten; häufig finden sich die Panzer großer Schildkröten.
Der zweiten Säugetierfauna aus den Kongerienschichten und den Belvedereschottern
gehören ebenfalls große Dickhäuter an (Mastodon arvernensis, M. longirostris, M. Borsoni,
M. Pentelici, Dinotherium laevius, D. giganteum), es tritt das Teleoceras Goldfussi und Acera-
therium incisivum auf, es erscheint das zierliche Hipparion gracile; daneben finden sich die
Reste von Stachelschweinen, Tapiren, Tigern, Hyänen, Bibern, Schweinen und Reste eines
giraffenähnlichen Säugetieres.
Die nächstfolgenden jüngeren Bildungen gehören bereits der Eiszeit oder dem Pleistozän
an. Sie bestehen aus Schottern oder in Sümpfen abgelagerten Tonen mit Sumpfmoosen (Ziegelei
von Heiligenstadt), vor allem aber aus dem bezeichnendsten Gestein dieser Periode, dem
Löß. Der Löß oder der „leichte Grund“ ist ein braungelber, ungeschichteter Lehm, welcher die
Eigentümlichkeit besitzt, sich nicht sanft abzuböschen, sondern in steilen Wänden stehen
zu bleiben. Die auf Löß stehenden Weingärten der Gegend von Krems und am Wagram
bilden typische Beispiele für eine Lößlandschaft, eine Wiederholung der großartigen Löß
gegenden Chinas in kleinem Maßstabe.
Zu dieser Zeit lebte im Gebiete von Wien eine Säugetierfauna, welche vor allem durch
das Mammut (Elephas primigenius), das wollhaarige Nashorn (Rhinoceros tichorhinus), den
Höhlenbär (Ursus spelaeus), die Höhlenhyäne (Hyaena crocuta), einen Wolf (Lupus Suessi),
den Riesenhirsch, das Ren u. s. w. charakterisiert ist. Dem Funde eines Mammutknochens,
welche sich neben Zähnen dieses Tieres im Lößboden der Stadt nicht selten finden, verdankt
auch wahrscheinlich das Riesentor der Stephanskirche seinen Namen; das geologische Institut
der Universität bewahrt einen Oberschenkelknochen des Mammut 2 ), auf dessen einer Fläche
der Wahlspruch Kaiser Friedrichs III. (A. E. I. O. V.) in einem Schriftbande aufgemalt ist,
während die andere Seite die Jahreszahl 1443 trägt. Im nachfolgenden Jahre wurde der erste
Grund zu dem unausgebauten Turm der Stephanskirche gelegt, und es ist wahrscheinlich, daß
’) F. X. Schaffer, Die alten Flußterrassen im Gemeindegebiete der Stadt Wien. Mitteilungen der k. k. Geographischen Ge
sellschaft. Wien 1902. — Derselbe, Geologie von Wien. I. Teil (mit geologischer Karte). Wien 1904. — R. Hoernes, Bau und
Bild der Ebenen Österreichs. Wien und Leipzig 1903, S. 992ff. — Derselbe, Belvederefauna und Arsenalterrasse. Verhandlungen
der k. k. Geologischen Reichsanstalt. 1904, Nr. 4. — F. X. Schaffer, Zur Frage der alten Flußterrassen in Wien. Mitteilungen der
k. k. Geographischen Gesellschaft. Wien 1904, S. 91.
2 ) E. Suess, Der Boden der Stadt Wien nach seiner Bildungsweise, Beschaffenheit und seinen Beziehungen zum bürgerlichen
Leben. Wien 1862, S. 138, Abb. 18. — Derselbe, Der Boden der Stadt und sein Relief. Geschichte der Stadt Wien. Herausgegeben
vom Altertumsvereine zu Wien. 1897, Bd. I, S. 13, Abb. 9 und 10.