Photographie.
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Da in Oederreich wie in allen übrigen Ländern Europas der Schwerpunkt
des photographifchen Betriebes zumeid in der Haupt- und Refidenzdadt liegt, fo
hat auch auf der Ausdellung Wien weitaus dominirt, und die gröfsten Fortfehritte
zur Schau gebracht; in Wien hat (ich fchon, als die Photographie fo zu fagen noch
auf den Kindesbeinen war, ein grofses Intereffe für diefelbe bethätigt, und manche
bedeutende Förderer diefer Kund, wie Profeffor Petzval, Voigtländer,
Bibliothekar Martin, Pretfch u. A. find aus diefer Stadt hervorgegangen und
haben in jeder Hinficht aufmunternd gewirkt.
Von allen Gebieten der Photographie wurde in Wien von jeher das
Porträtfach am eifrigften cultivirt, Publicum und Photographen haben (ich hierin
löblich unterdützt; das grofsdädtifche, rege, gefellige und gefellfchaftliche Leben
die anmuthigen, fchönen und ftets grofsen Gefchmack in der Toilette entwickeln
den Damen, die intereffanten und allfeitig beliebten Schaufpielerinen und Schau-
fpieler in meifb fehr dankbaren Codümen haben den Photographen grofsen
Impuls zur deten Vervollkommnung des Porträtfaches gegeben, wie der bald
blühend in Schwung gekommene gegenfeitige Austaufch von Photographieporträts
und der Sammlung derfelben in zierlichen Albums diefem Fache reichliche Befchäf
tigung gab; anderfeits wurde diefe Vorliebe durch die eifrige und redliche
Bemühung der Photographen, immer Neues und Vorzüglicheres zu bieten, auf
die gündigde Weife genährt.
Da an der Spitze mancher Ateliers Männer von tüchtiger technifcher
Bildung und kündlerifchem Wiffen danden, bürgerte fich eine gefchmack-
volle, malerifche Auffaffung ein, die Retouche wurde mit Verdändnifs benützt, und
auf forgfältige, gewiffenhafte Ausführung fowie elegante Ausdattung das gröfste
Augenmerk gerichtet; fo hat fich, man könnte fagen, eine Wiener Schule gebildet,
die durch manche ihrer Jünger auch nach Aufsen hin fördernd wirkte, und für
Wien die Porträtphotographie zu einer Specialität erden Ranges empor hob ;
wo immer diefelbe auf den Ausdellungen erfchien, hat fie fich als folche hervor-
gethan, und allfeitige Anerkennung erworben. Die Wiener Porträtdudien find lo
ein Handelsartikel geworden, der in alle Länder der Welt verfendet wird, und
durch die Sammler, Kündler und felbd Photographen eifrige Abnehmer findet.
Hof-Photograph Ludwig Angerer war der erde, der ein grofses
Atelier für Forträtphotographien in Wien eröffnete, und durch feine tüchtigen
Leidungen nicht nur die Aufmerkfamkeit des Wiener wie des auswärtigen
Publicums auf fich zog, fondern auch vielen Fachmännern als Vorbild diente,
welch’ letztere ihm bald mit Eifer und theilweifem Erfolge nachdrebten. Auf der
Ausdellung waren Ludwig und Victor Angerer durch gute Porträts und
Landfchaften, durch fehr gelungene Interieurs und durch eine Anzahl der bekannten
Blätter mit Abbildungen von Gegendänden alter Kundindudrie aus dem Mufeum
vertreten. Ludwig Angerer hatte auch verfchiedene fchöne Lichtdrucke aus-
gedellt, welche bedauern laden, dafs er fich mit diefem Verfahren nicht mehr
befchäftigt.
Das Porträtfach wurde durch das fpätere Einwirken mehrerer anderer
tüchtiger Photographen wie Jagemann, Rabending, Luckhardt, Dr. Szekely,
Gertinger, Perlmutter (Adele), J. Löwy u. A. immer forgfältiger und künd-
lerifcher cultivirt, und kam dadurch wie auch durch die Einführung der Negativ-
retouche zu deigender Bedeutung und Beliebtheit.
Was die einzelnen Ateliers betrifft, fo werden in denfelben in der Praxis
verfchiedene Bedrebungen verfolgt, deren verfchiedene Erfolge man denn auch
in der Ausdellung beachten konnte.
Hof-Photograph Herr Fritz Luckhardt zeigte fich namentlich in
Damenporträts in ganzer Figur als Meider in feinem Fache. Die mife-en-feene, das
Arrangement der Perfonen und ihrer Toiletten, die Wahl des Beiwerkes, in welchem
er grofse Mannigfaltigkeit entfaltete, fowie die Wahl der Plintergründe verriethen
feines kündlerifches Verdändnifs und die technifche Durchführung war von einer