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mit Kuchen servirt und bis gegen 4 Uhr Nachmittag verweilt. Dann
erhebt sich der Zug und geht zur Muhme um den Brautkuchen, der
unter lärmender Musik und Pistolenschüssen ins Brauthaus getragen
und dort auf die Tafel gesetzt wird. Zu diesem Riesenkuchen stellt
die Brautmutter einen kleineren, ebenfalls mit einer Vertiefung in der
Mitte versehenen. Die Gäste nehmen an der Tafel Platz, und nun wer
den die Speisen, bestehend in Suppe, verschiedenen Braten etc. unter
dem Schalle der Clarinetten und Trompeten aufgetragen. Bei jedem
Gerichte, das frisch aufgetischt wird, werfen die Gäste Geldstücke in
die Vertiefung des grossen nnd kleinen Brautkuchens. Am Ende der
Mahlzeit wird die Geldsumme aus diesem der Braut zur Anschaffung
der Kinderwäsche, aus jenem dem Bräutigam zur Hauseinrichtung über
geben. Der riesenartige Brautkuchen wird sodann zerstückt unter die
Gäste und Zuschauer vertheilt.
Bemerkt zu werden verdient, dass die Braut während der ganzen
Mahlzeit weinend dasitzt, das Antlitz in ein Tuch verbergend, von kei
ner Speise etwas geniesst, und im wahren Sinne des Wortes hungern
muss. Nach der aufgehobenen Tafel nähern sich vier verheiratete
Frauen aus der Verwandtschaft der Braut, zwei aus ihnen halten ein
grosses Linnentuch gleichsam als Vorhang, während die andern zwei
das mit Blumen geschmückte Haupt der Neuvermählten unter lautem
Schluchzen, Weinen und Wehklagen der jungfräulichen Zierde berauben.
Die langen Haare werden um ein viereckiges Brettchen gewunden und
der Kopf mit einem Tuche, wie es die Frauen zu tragen pflegen, be
deckt. Dann wird die Braut in ein Bettuch so eingehüllt, dass man
weder etwas vom Gesichte, noch von den Händen sehen kann. Zu
gleich mit ihr werden jedoch noch einige Mädchen und ein altes Müt
terchen auf dieselbe Art vermummt, in die Mitte des Zimmers hinge
stellt, und dem Bräutigam und den Brautführern zum Kaufe um einen
beliebigen Preis angetragen. Trifft der Neuvermählte durch einen un
günstigen Zufall auf das alte Weib, so wird er gewaltig ausgelacht.
Hat aber ein Anderer die Braut gekauft, so tritt er sie sogleich dem
Bräutigam mit dem Bemerken ab, dass man in ähnlichen Fällen von
ihm dasselbe erwarte. Das bei diesem scherzhaften Kaufe und Verkaufe
gelöste Geld wird unter die Armen vertheilt.
Endlich beginnt der Tanz, den das Brautpaar eröffnet, und dieser
Augenblick scheint wohl der längst gewünschte für die Braut zu sein.
— Gleich nach dem ersten Reihen entfernt sie sich in die Brautkammer,
wo die sorgsame Mutter indessen Speise und Trank für die Hungerige
in Hülle und Fülle vorbereitet hat. Auf ein gegebenes Zeichen schleicht
bald darauf auch der Bräutigam nach, und die Mutter verschliesst die
Kammer. Die Gäste tanzen, jubeln und zechen bis zum andern Mor-