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Volltext: Nordböhmen auf der Weltausstellung in Wien 1873, Gruppe IX (Stein-, Thon- und Glas-Industrie)

Stein-, Thon- und Glasindullrie. 
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Das Schlimmste aber war bei alledem, dass die sozu 
sagen angeborene Hinneigung der städtischen und ländlichen 
Bewohnerschaft des Bezirkes zu dem uralten, mit ihr ganz 
und gar verwachsenen Gewerbe der Steinschleiferei einen an 
deren, lohnenden Erwerbszweig bis auf die letzten Decennien 
fast nicht mehr aufkommen lassen wollte. 
Gegenwärtig wird der Edelsteinhandel in Turnau von 
zehn Parteien versteuert, für welche jedoch in Turnau und 
Umgebung (namentlich Eowensko) noch immer mehr als 500 
Schleifer ein Rohmaterial echter Edel- und Halbedelsteine (vor 
wiegend nurmehr böhmische und tiroler Granaten, Topas und 
Jaspis) im Werthe von circa fl. 75.000 zu facettirten (brillan 
tsten, geschlegelten und gemuggelten) Fass- und Schnursteinen 
verarbeiten, deren Werth, als fertiger Waare, auf fl. 218.750 
berechnet wird. Die Lage der armen Lohnarbeiter ist eine 
sehr bedauerliche. Der Lohn eines Schleifers beträgt im 
Durchschnitt 70 kr. täglich; nur sehr wenige, besonders ver 
wendbare Arbeiter bringen bei einer Arbeitsdauer von 5 Uhr 
früh Ins spät Abends einen Gulden ins Verdienen, wobei zu 
bemerken, dass der Arbeiter von diesem Lohne alle „Zuthat“ 
zum Schleifen, wie Blei, Zinn, Schmirgel, Trippei, Oel u. s. w., 
beschaffen und überdies — ganz abgesehen von der Familie 
- seine Hilfsarbeiter, deren jedem Schleifer zwei bis drei 
zur Seite stehen, vollständig erhalten muss. 
Ein überaus glücklicher Gedanke, den schon in den fünf 
ziger Jahren geradezu trostlosen Gewerbsverhältnissen in Tur 
nau zu neuem Aufschwünge zu verhelfen, war der der Grün 
dung einer Gewerbeschule daselbst. Der wohlthätige Rückschlag 
eines gediegenen fachlichen Unterrichts auf die Gesammtheit 
dortiger Gewerbe ist mit aller Zuversicht zu gewärtigen — 
ob auch für das hier behandelte Specialgewerbe, steht so lange 
ernstlich zu bezweifeln, als dasselbe seinen Jüngern keine 
schönere Perspective zu bieten vermag, als die augenblickliche 
nackte Wirklichkeit, wie wir sie oben angedeutet.
	        
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