40
Die Arbeit geschieht durchwegs in hohen luftigen Arbeitssälen, welche ihr Licht
durch die Decke erhalten und vollkommen frei von Staub sind, in folgender Reihenfolge:
ie rohe Jute, in Ballen von circa 3Q0 Pfund gepresst, wird von Männern jp den
Sortirraum gebracht, die Ballen werden geöffnet und den dort beschäftigten Arbeiterinnen
zum Sortiren, Befeuchten und Einölen übergeben.
Das Sortiren ist eine Arbeit, welche grosse Aufmerksamkeit erfordert und erfah-
rungsgemäss nur von Frauen mit der gehörigen Aufmerksamkeit verrichtet wird. Hierbei
beschäftigte. Frauen verdienen bei zehnstündiger Arbeitszeit circa 5 fl. per' ^ochp.
Die hier in Strähne vorgerichtete rohe Jute geht nun eine Beihe von Arbeitspro
zessen durch, als: Erweichen, Krempeln, Strecken, Vorspimien und Spulen. Sämmtliche
Arbeiten werden mittelst Maschinen ausgeführt, die nur von Frauen überwacht werden.
Bei allen diesen Verrichtungen ist, wie schon bemerkt, kpine körperliche Anstrengung er
forderlich, sondern die Aufgabe der Frauen besteht lediglich darin, die Arbeit der
Maschinen zu überwachen und die geleerten Kannen und Spulen durch neue zu ersetzen.
Von da ab, wo die Jute erweicht ist, erzeugen die Maschinen einen continuirlichen, erst
groben dann immer, feiner werdenden Faden, bis das Gespinnst entstanden ist, welches
cie Abtkeilung der Spinnerei verlässt und zur Weberei übergeht. In der Spinnerei und Spulerei
ist der wöchentliche Lohn der Arbeiterinnen zwischen 3 und 6 fl.
Das Aufbaumen des Garnes auf die schweren Kettenbäume wird vop Männern
ipsorgt, das Einziehen desselben in die Webekämme jedoch wieder vop kleinen Mädchen ■
sodann wird das Garn den mechanischen Webstühlen übergeben, welche grqsstei theils
von Frauen bedient werden. 9 '
io Eme ™ n der eille g ewis ?e Geschicklichkeit verlangt wird, verdient 6 bis
tt. per Y\ oche. Die fertig gewobene Waare wird nun abermals von Fragen durchgesehen
und geputzt, während die Appretur, bestehend im Scheren, Stärken und Mangeln der Waare'
von Männern besorgt wird. 1 ‘ f
Die , a PP retlrte w aare geht aber sodann wieder in Frauenhppde üb,er, um theils auf
Nähmaschinen, theils durch Handarbeit zu Säcken verarbeitet zu werdep.
Die Naharbeit wird grösstentheils ausser der Fabrik besorgt, und bildet einen sehr
gesuchten Nebenerwerb für Frauen, welche nebenbei die häuslichen Arbeiten verrichten.
Die erste österr. Jute-Spinnerei und Weberei allein lässt über 1,500 000 Säcke im
Jahre nähen und zahlt dafür circa 30.000 fl. Föhn.
Wahrend durch eine Reihe von Jahren Jute - Fabrikate englischen Ursprungs in
Oesterreich allgemein bekannt gewesen und auf die verschiedenste Weise verwendet wor-
den sind, wurde dieser nützliche und höchst beachtenswerthe Faserstoff bis vor kurzer
Zeit bei uns nicht verarbeitet.
Wohl haben schon vor längerer Zeit einzelne Webereien in Mähren, sowie im nörd-
bchen und nordwestlichen Böhmen, Jute-Garne aus England und aus Braunschweig, wo
gleichfalls eine Jute-Spinnerei besteht, bezogen und grösstentheils mit Flachs - Towgarnen
gemischt verwoben; der Rohstoff selbst wurde aber bis vor zwei Jahren in Oesterreich
noch nicht , versponnen, , bis im Jahre 1870 die erste österreichische Jute-Spinnerei und
Weberei errichtet und hiedurch dieser Industriezweig in Oesterreich eingeführt wurde
Diese Verzögerung erklärt sich einerseits durch die Schwierigkeit der Fabrikation, anderer
seits dadurch, dass die Errichtung einer Jute-Spinnerei grosse Capitalskraft erheischt, die bis
vor Kurzem namentlich für ein Unternehmen schwer zu beschaffen war, für welches noch
keine Erfahrungen Vorlagen und dessen technische Schwierigkeiten bekannt waren.