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Volltext: Die Verwendung weiblicher Arbeitskräfte in der Fabriks-Industrie und in einzelnen Zweigen des Verkehrswesens Österreichs : erläuternder Text zu einer Abtheilung der Ausstellung im Frauen-Pavillon, Weltausstellung 1873 in Wien

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dienen sich einen Lohn, in welchem ausser der fleissigen Handarbeit auch die künstlerische 
Fertigkeit in Rechnung gebracht wird. — 
Wie in Böhmen wird die Spitzenklöppelei noch in anderen Theilen der Monarchie 
schwunghaft betrieben; so in Mähren,,Schlesien, Krain. Die intensive Pflege, deren sich 
das Fachschulwesen in der Gegenwart erfreut, leitet auch in diesem, einen Zweig der 
Hausindustrie bildenden Gewerbe eine Periode ungleich höherer Leistungsfähigkeit ein. 
W irk w aaren-In dustrie. 
Unter den Industriezweigen, welche eine überraschende Ausbildung erfuhren, in ihren 
Arbeitsmitteln und ihrer Leistungsfälligkeit eine ausserordentliche Entwicklung aufweisen, 
nimmt die Wirkwaaren-Erzeugung eine hervorragende Stelle ein. Als Kleinbetrieb uralten 
Datums, zählt ihre Umgestaltung zur Grossindustrie mit einer auf den Weltmarkt be 
rechneten Productionskraft erst nach wenigen Jahrzehnten. Gleich dieser Erscheinung ist 
aber auch der Umstand bemerkenswert!!, dass in dem Masse, als sich die Werkvorrich 
tungen vervollkommneten und die Erzeugnisse sich vervielfältigten, dem weiblichen Ge- 
sehlechte sich ein immer grösser werdendes Arbeitsgebiet erschloss. 
Bis in’s dritte Jahrzent dieses Jahrhunderts bestand als ausschliessliche Werk vor 
richtung des Strumpfwirkers der von W. Lee im 17. Jahrhundert erfundene sogenannte 
Coulirstuhl. Die Leistung war und ist eine geringfügige, bei anhaltender Arbeit etwa ein 
Dutzend mittelfeiner Strümpfe oder neun Stück grosser Jacken in der Woche. Frauen 
arbeit hat nur einen sehr geringen Antheil, denn der ungelenke Mechanismus des Stuhles 
fordert die Hand des Mannes. 
Durch den Verbrauch der geklöppelten Spitzen angeregt, trat in den Dreissiger-Jahren 
der sogenannte Bobbinetstukl auf, ursprünglich für Tüll- & Spitzenfabrikation bestimmt, 
bald aber für die Strumpfwirkerei adaptirt. 
Der Kettenstuhl, wie die neue hieraus hervorgegangene Werkvorrichtung heisst, ver- 
anlasste nach mehreren Richtungen tiefgehende Veränderungen. Während beim Coulirstuhl, 
welcher Name dem Durchlaufen der Walze entlehnt ist, mit einem Faden über die ganze 
Breite (selten über 50 om ) gearbeitet und die Strumpfmasche durch Umschlingen desselben 
um die Nadel hergestellt wird, werden dem an 2 m breiten Kettenstuhle sämmtliche zur 
Herstellung des Gewebes nothwendigen Fäden, wie beim Webstuhle, nebeneinander auf 
einen Baum gebracht und dann auf den Nadeln zusammengeschlungen. 
Während der Coulirstuhl in Folge seiner mangelhaften Einrichtung die Erzeugung 
gemusterter, breiter, endlich schmalstreifiger Waare sehr erschwert, ermöglicht die Ein 
richtung des Kettenstuhles kaum übersehbare Combinationen. 
Von den mannigfaltigen, hiedurch herstellbaren Artikeln sei zunächst der Tuchhandschuhe 
und der Sommertricothandschuhe gedacht, welche beide vorzugsweise Frauenhände beschäftigen. 
Vorerst ist das Garn zu spulen und auf den Kettenbaum zu wickeln, Arbeiten, bei 
welchen Mädchen von 14 Jahren aufwärts mit einem Wochenlohn von fl. 3'/j—4(4 ver 
wendet werden. Das Wirken selbst wird auch da, wo die Stühle durch Elementarkraft 
getrieben werden, durch Männer besorgt. 
Das fertig Gewirkte ist nun zu „repassiren,“ d. h. beim Arbeiten gefallene Maschen 
sind zuzustopfen. Dieser mühsame Arbeitsprozess bedingt Frauenhände, der Wochenver 
dienst beträgt ungefähr 3 fl. 
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