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geschnitten worden, auf welchem gewöhnlich das zu 12 Miedern nothwendige Zeug auf
einmal gewebt wird, fast ganz in den Bereich der Frauenarbeit über.
Die Zuschneiderin besorgt den Schnitt, die Näherin das Einziehen und Vertieften
der Fischbeine und das Einfassen der Mieder. Nachdem diese unter theilweiser Zuhilfenahme \ on
männlichen Arbeitskräften gewaschen und getrocknet wurden, kommen sie in die gekochte
Appreturmasse, bestehend aus Stärke, Leim und Wachs. Haben sie diese genügend einge
sogen, so werden sie ausgewunden, von einer Centrifugal-Maschine halb getrocknet, dann auf
Kupferbüsten gespannt. Innen hohl und durch einströmenden Dampf eihitzt, trocknen
diese das aufgespannte Mieder in 1 bis 1' 2 Minute.
Die Vollendungsarbeiten bestehen im Glattbügeln, in dem Einnähen der Miederfedern
und Befestigen der Oesen.
Unter diesen verschiedenen Arbeitsprozessen ist nur jener -er Appretur, der hohen
Temperatur wegen (36—38°), beschwerlich und anstrengend. Es ist daher die Einrichtung
getroffen, dass die betreffenden zwei Arbeiterinnen jeden zweiten Tag abgelöst und dann
auf dem Trockenplätze beschäftigt werden.
Das Erlernen der durch die Appretur bedingten Arbeit fordert eine Lehrzeit von
etwa 4 Wochen.
Der Wochenlohn für die verschiedenen vorbemerkten Arbeiten beträgt 4'/ 2 bis 5 fl.
Die Neuheit dieses Industriezweiges in Oesterreich — die Firma Siegfried Teutsch-
länder in Wien z. B., welche gegen 40 Mädchen und Frauen von 15 Jahren aufwärts
beschäftigt, besteht erst seit dem Jahre 1870 — dürfte einige Zusatzbemerkungen ge
rechtfertigt erscheinen lassen.
Nach ihrer Herstellungsweise zerfallen die Mieder oder Corsets in genähte und naht
lose. In Frankreich und Süddeutschland ist die fabriksmässige Erzeugung der letzteren
geradezu schwunghaft zu nennen. Es kommen ebenso prachtvoll ausgestattete als solche
zu bemerkenswerth niederen Preisen in den Verkehr.
Auch bei diesem vom Standpuncte der Schönheit, wie dem der Gesundheit bedeut
samen Kleidungsstücke spielt der Jacquard-Stuhl eine hervorragende Bolle. Er allein er
möglichte die äusserst sinnreiche Herstellungsweise des Gewebes, wie sie Fontaine in
Lyon ersann und welcher M. Alcan in einem im August 1853 erstatteten Berichte an
die Gesellschaft zur Ermunterung der nationalen Industrie die lebhafteste Anerkennung
zollte. Allerdings beschränkte sich Fontaine nicht blos auf das Weben eines Stoffes, der
nicht nur kleiden, sondern auch stützen, nicht nur bedecken, sondern auch die äussere
Erscheinung wirksamer machen soll. Auf Grund vieler und eingehender Beobachtungen
construirte er 8 Haupttypen von Büsten und innerhalb jeder derselben wieder 18 Typen
von verschiedener Grösse. Die Erfolge dieser Verbesserungen, zu welchen sich allerdings
noch einzelne von verhältnissmässig untergeordneter Bedeutung gesellten (imitirtes Fisch
bein, Fallenlassen der Tragbänder, Aufschnürungsvorrichtung u. s. w.) sprechen sich in der
Vervollkommnung und den Preisen dieses Artikels und seinem ausserordentlichen Ab
sätze aus.
Erzeugung' von KJeidnng’Sstück.en.
Was die innere Organisation des Kleidermachergewerbes bei uns betrifft, so theilt
sich dieser Industriezweig immer deutlicher in zwei Branchen: o) in die labiiksmässige
Erzeugung durch Schneider und Kaufleute. Namentlich sind in Betreff der Männerkleider