51
Höhe, während der andere im Wachsthum zurlickbleibt und
bedeutend kleiner ist. Hier ist die Weisstanne nicht pyramiden
förmig wie in andern Kunstforsten, sondern pflegt sich kuppel
förmig zu gestalten. In den Urwäldern pflegen die Bäume ent
weder in geraden Linien oder in Gruppen zu stehen. Wenn ein
alter Baum seiner Länge nach umfällt und nach und nach vermo
dert, kommen mit derZeit aus dem Stamme desselben neue Bäume
hervor, welche ihre Wurzel durch dem Stamm in den Boden
senken und demnach eine gerade Linie bilden. Die in einer
Gruppe stehenden Bäume dagegen wachsen aus dem noch grünen
Strunke eines alten Baumes hervor. Bald geschieht es, dass die,
die Grundlage der neuen Baumgeneration bildenden alten Stäm
me gänzlich zerfallen, wo dann deren obere Wurzeln unbedeckt
bleiben, weshalb in einem Urwalde viele Bäume aussehen, als ob
sie auf Krüken stünden. Nirgend fühlt sich der Mensch so ver
einsamt, als in einem ungeheueren Urwalde, welchen nur der
Wind, der Holzwurm und stellenweise die Hirten, Kohlenbrenner
oder Pottaschensieder vernichten.
Solch ein Bild zeigt der Krivän bis zu einer Höhe von
beiläufig 5900', wo dann bald die Grenze der Weisstanne und
Fichte sich befindet. Hier hört der zusammenhängende Wald auf,
weiter hinauf verschwindet in allgemeinen jeder höhere Baum,
und wird durch Gesträuche und Zwergfichten ersetzt, bis auch
diese zuletzt ganz verschwinden und den Platz der stereotypen
Alpenkiefer überlassen.
Treten wir unter die organischen Wesen dieser neuen Welt,
so bemerken wir, dass dieselben Uberrall den Stempel des Hoch-
gebirgs-Charakters an sich haben, überrall lächelt uns der Reiz
der Alpen an. Die Pflanzendecke, wenn auch aus beiweitem we
niger Arten zusammengesetzt, als im Thale oder am Gebirge,
verliert dennoch weder an Lebhaftigkeit der Farben, noch an
Reichthum. Die neuen Pflanzengruppen, welche an die Stelle
der Kinder der Ebene und des Thaies treten, ersetzten die Gat-
tungs-Armuth durch Schönheit, Duft, eigenartigen Charakter und
lebhafte Färbung.
Hier begrüsst uns eine prächtige Hochwiese, dort wieder
eine duftende lebhaft grünende und blumenreiche Alpenweide,
auf welchen unzählige Schafe und Ziegen, oder eine sich dorthin
verirrende Gemse ihre tägliche Atzung erhalten. Jedoch neben
den duftigen Weiden breiten sich endlose Felsenhügel und Stein-
4*