Nr. 17
Internationale Sa mm ler-Zeitung
Seite 131
SFcifscfumgen im affen SRom.
Von Ludwig Friedländer, Berlin.*)
Am wenigsten beweist die Anhäufung von Kunst
werken im Privatbesitz zu Rom, daß dort Kunstsinn
verbreitet war. Schon die bloße Kunde von ihrer Kost
barkeit reichte hin, sie selbst solchen als begehrenswerte
Beute erscheinen zu lassen, die für ihren Wert so
wenig Verständnis besaßen, wie der rohe Eroberer von
Korinth: und so unerschöpflich war der Reichtum der
griechischen Länder an Kunstwerken, daß er der Gier
der Römer Jahrhunderte hindurch die vollste Sättigung
bot. Neben Marmorsälen, Teppichen, Citrustischen,
Silbergerät, Prachtgefäßen gehörten Statuen und Ge
mälde je länger desto allgemeiner zur Ausstattung
reicher Häuser und Villen. Bei dem ungeheuren Vorrat
von Kunstwerken und der Leichtigkeit ihres Erwerbs
oder Raubs bedurfte es zur Bildung von Sammlungen
nicht einmal besonderer Liebhaberei. Gemäldegalerien
waren schon in Augustus Zeit so allgemein, daß in
V i t r u v s Plan für ein vornehmes Haus ein großer,
nach Norden gelegener Saal für diesen Zweck nicht
fehlen durfte; und sie bleiben es auch später ebenso
wie Sammlungen von Skulpturen.
Mögen diese Sammlungen auch Werke lebender
Künstler enthalten haben, so werden solche doch niemals
erwähnt, und wenn sie nicht vorwiegend aus alten
Bildern und Statuen bestanden, so wurden doch diese
wenigstens für das Wertvollste oder einzig Wertvolle
darin angesehen. Daß Liebhaber und Sammler solche
besonders suchten, wird auch öfters ausdrücklich gesagt;
so von Julius Cäsar, von Damasippus, der alte
Statuen „wie unsinnig" kaufte. Die Bildergalerien, sagt
P 1 i n i u s, stoppelt man aus alten Gemälden zusammen.
Ganz besonders aber wurde bei Silberarbeiten auf das
Alter gesehen, nach welchem die Werke dieser in
Abnahme gekommenen Kunst so gut wie allein geschätzt
wurden; Ziselierungen, die bis zur Unkenntlichkeit ab
gegriffen waren, hielt man am höchsten. Es fehlte auch
nicht an Altertümlern, welche die eigentlichen Inkunabeln
der Kunst allem üppigen vorzogen, die „fast rohen"
Gemälde eines Aglaophon und P o 1 y g n o t denen
der späteren, wie Q u i n t i 1 i a n sagt, der hierin wohl
nicht mit Unrecht ein Prahlen mit Kennerschaft fand.
August hatte eine Vorliebe für die altertümlich zier
lichen Werke des B u p a 1 o s und A t h e n i s von Chios
(im 6. Jahrhundert); Statuen von beiden ließ er im
Giebel des Apollotempels auf dem Palatin und fast
in allen andern von ihm in Rom erbauten Tempeln
aufstellen. Die größte Verbreitung wird diese Geschmacks
richtung in der Zeit Hadrians erreicht haben. Doch
im allgemein verstand man unter „alten Kunstwerken"
die der griechischen Blütezeit oder selbst der Dia-
dochenperiode.
Bedenkt man die Massenhaftigkeit der im Privat
besitz aufgehäuften, angeblich alten Kunstwerke (mit
denen ja Domitius Tullns z. B. einen sehr großen
Park auf der Stelle füllen konnte) und das Umher
werfen mit den berühmtesten Namen einerseits, andrer
seits die technische Virtuosität der damaligen Kunst
und ihre so umfassende Beschäftigung mit Rohproduktion
klassischer und altertümlicher Werke, so muß man auch
ohne Zeugnis glauben, daß die Sammler oft genug von
*) Aus Ludwig Friedländer „Darstellungen aus der Sitten
geschichte Roms“. Band III. Verlag von S, Hirzel, Leipzig.
Künstlern und Kunsthändlern betrogen wurden und
Kopien statt der Originale kauften. Von jemandem, der
mit seinen Originalgemälden und echten (Silber)-Pokalen
prunkt, sagt Martial, seine Freunde seien gerade so
echt wie die Stücke seiner Sammlung. Auch gibt es
ein ausdrückliches Zeugnis schon aus der ersten Kaiser
zeit, daß solche Fälschungen häufig und offenkundig
waren. Der Fabeldichter Phädrus sagt: wenn er
sich des Namens Aesop bediene, so geschehe dies,
um das Ansehen seiner Sachen zu erhöhen, „wie manche
Künstler es in unserer Zeit machen, wenn sie auf ihren
neuen Marmor Praxiteles schreiben, oder Myron auf
poliertes Silber, Pausias auf ein Gemälde. So sehr
begünstigt der bissige Neid mehr das Alter, als das
Gute der Gegenwart". Auch ein griechischer Autor
unter Hadrian, welcher berichtet, daß Phidias seinem
Lieblinge Agorakritos gestattet habe, sich auf einem
seiner eigenen Werke, der Ramnusischen Nemesis, als
Urheber zu nennen, fügt hinzu: „so haben auch viele
andre auf ihre eignen Werke einen fremden Namen
geschrieben."
Begegnet man nun in der damaligen Literatur An
gaben von Arbeiten großer Künstler, die sonst völlig
unbekannt sind, so kann man sie nur mit Mißtrauen
aufnehmen. Daß es von Phidias ein mit erhabenen
Fischen ziseliertes Gefäß und eine Zikade, Biene und
Fliege gab, ist allerdings nicht möglich, aber auf die
bloße Angabe des Martial (die übrigens noch eine
andere Erklärung zuläßt) und des Kaisers Julian ist
es nicht zu glauben. Die Arbeit in edlen Metallen
(Toreutik, Zälatur) war ein „Haupttummelplatz des
Kunstbetrugs", da die Ausstattung der Schenktische mit
„altem" Silbergerät, der Sammlungen mit „Original
pokalen" zum beliebtesten Kunstluxus gehörte. Die
Blütezeit der Toreutik war aber kurz, die Zahl der
namhaften Künstler klein gewesen. Von Mentor, dem
größten derselben, dem Benvenuto Cellini des Altertums,
wollten Kunstkenner nur vier Becherpaare als echt
erkennen; im Kunsthandel und in den Sammlungen
dagegen scheinen sie keineswegs selten gewesen zu
sein. Martial beschreibt einen Laden für kostbare Luxus
gegenstände: dort findet man außer Statuen von Polyclet
auch „Becher von Mentors Hand geadelt"; und dieser
Name kehrt regelmäßig wieder, wo er von den alten
Originalarbeiten in Silber spricht. Und wenn Kenner
nur mit guten Kopien (wie jene des Zenodorus nach
Kalamis) betrogen werden konnten, so gab es ohne
Zweifel auch häufig genug Liebhaber und Sammler von
dem Bildungsgrade'des Trimalchio bei Petron, der als
besonderer Freund von Silberarbeiten Becher besaß,
auf denen vorgestellt war, „wie Kassandra ihre Söhne
tötet, und die toten Kinder so daliegen, daß man es
für wirklich hält; dann wie Dädalus die Niobe in das
trojanische Pferd einschließt" (gemeint ist der Kinder
mord der Medea und die Kuh der Pasiphae). Er be
schließt die Aufzählung seiner Geräte mit der Bemerkung,
daß alle schwerwichtig seien.
Nächst den Silberarbeiten waren auch Bronzearbeiten
ein Gegenstand der Leidenschaft der Sammler, vor allem
aus korinthischer Bronze, deren Mischung ein verlorenes
Geheimnis war. Nichtsdestoweniger gab es Künstler,
die Arbeiten in diesem Material lieferten und wahr
scheinlich oft genug die Kenner betrogen, obwohl diese
die echten unter anderm am Geruch erkennen wollten,