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ziehende Gewalt durch sein Ministerium in Ofen;
die Befehle, Anordnungen und Beschlüsse des Königs sind jedoch
nur dann gütig, wenn sie von einem der Minister gegenge
zeichnet sind. Diese Ministerial-Contrasignatur schliesst prinzipiell
die Verantwortlichkeit der vollziehenden Ge-
walt in sich, welche Verantwortlichkeit nach dem Gesetze sich
auf jedes Mitglied des Ministeriums für seine eigene Gebahrung
erstreckt. Das Gesetz bestimmt die Fälle, in denen ein Minister zur
Verantwortung gezogen werden kann; das Abgeordnetenhaus
entscheidet, ob der Minister in Anklagestand zu versetzen ist,
worauf das Oberhaus aus seiner Mitte Richter erwählt; unter
Mitwirkung einer vom Unterhause entsendeten Commission wird
der Prozess öffentlich eingeleitet, von den gewählten Richtern
das Urtheil gefällt oder die etwaige Strafe bestimmt, und kann
das königliche Begnadigungsrecht für den verurtheilten Minister
nur im Falle einer allgemeinen Begnadigung in Anwendung
gebracht werden. Die Mitglieder der vollziehenden Gewalt, der
Ministerpräsident und auf dessen Vorschlag die anderen Minister,
dann auf den Vortrag der Letztem die höheren Staatsbeamten der
Verwaltung werden von dem Könige ernannt. Ueber alle An
gelegenheiten , die von der allerhöchsten Entscheidung des
Königs abhängig sind, macht der betreffende Minister an den
König einen Vortrag, dem er gleichzeitig einen von ihm Unter
zeichneten Entscheidungsvorschlag beiscbliesst, der nur in dem
Falle ausführbar wird, wenn er durch die eigenhändige Unter
schrift des Königs sanctionirt ist. — Das Recht derGesetz-
g e b u n g übt der Herrscher im Einverständnisse mit den Grossen
des Reiches und den gewählten Abgeordneten auf dem Reichstage;
die Einberufung des Reichstages gehört zu den Rechten des Kö
nigs, erfolgt auf die Dauer von 3 Jahren und sind dessen Sitzun
gen womöglich in den Wintermonaten in Pest abzuhalten. Der Kö
nig kann den Reichstag vertagen, schliessen, ja noch vor Ablauf
der 3 Jahre auflösen, und dann eine neue Abgeordnetenwahl
anorduen, welche jedoch so stattzufinden hat, dass der neue
Reichstag binnen 3 Monaten, von der Auflösung des früheren an
gerechnet, zusammentreten könne.
Da die Feststellung des Jahresbudgets durch den
Reichstag nur auf ein Jahr erfolgt, ohne erneuerte Feststellung
und Votirung die Steuern nicht ausgeschrieben und eingehoben
werden dürfen, so muss der Reichstag, sollte er früher vertagt,
geschlossen oder aufgelöst werden, als von den Ministerien die