VIII.
Culturzustände und Culturbestrebungen.
Um den entsprechenden Standpunkt zur Beurtheilung des
Culturzustandes Ungarns zu linden, müssen wir einen flüchtigen
Rückblick auf die gesammte politische und Culturgeschichte dei
vergangenen Jahrhunderte werfen. . , ,
Nach Einführung des Christenthums stand das Eeicn des
heil. Stefan alsbald auf gleichem Niveau der damaligen Civilisation
mit den meisten Staaten Europas, war unter den Kreuzzügen einer
der am weitesten vorgeschrittenen und zugleich mächtigsten
Staaten, befand sich unter Ludwig dem Grossen und Mathias au
der Höhe der Civilisation seinerzeit, und obgleich diese unter
den schwachen Fürsten, welche nach König Mathias an die Ke-
gierun 0, kamen, abnahm, konnte selbst die Schlacht bei Mohacs
(1526)° die Culturbestrebungen der ungarischen Nation nicht
gänzlich vernichten. Wiewohl dieselben nicht Uber das ganze
Land sich erstreckten, so hörten doch die katholischen Kuchen-
Fürsten, die Helden der Reformation, sowie die siebenbürgische
Intelligenz nie auf, die Wissenschaft und die Civilisation zu för
dern und anzueifern. ,
Bei alle dem waren dies aber nur einzelne, im Verhältnisse zur
Grösse des Lande nur schwache Glanzpunkte und nicht so stark,
dass die Nation, in ewigem Krieg auf Leben und Tod verwickelt,
mit der in derselben Zeit mit Riesenschritten vorwärtsschrei-
tenden Civilisation des Westens gleichen Schritt halten konnte.
Die Cultur-Bestrebuugen Maria Theresia’s, hauptsächlich abei
die des Kaisers Joseph II. waren nicht nationaler Natur und
konnten daher auch im Allgemeinen nicht segenbringend iur uas
Land sein, dessen grosse und einflussreiche Majorität immer un-
garich war und es auch jetzt noch ist.