X.
Die Industrie.
1. Allgemeine Industrie-Verhältnisse.
Das wirtschaftliche Leben Ungarns ist von zu neuem
Datum und noch zu jung, als das es in Hinsicht auf die m as s en-
haftere Gewerbe-Produktion mit den Industriestaaten
par excellence des Auslandes in eine Parallele gestellt werden
könnte.
Die ältere industrielle Entwickelung, von der so ausge
zeichnete Ueberrestc in jedem der westlichen Staaten wahrzu
nehmen sind, ist hier unter den beständigen Kriegen und beson
ders während der Eroberung durch die Türken zum grossen Theile
zu Grunde gegangen. Als ruhigere Zeiten eintraten, begannen
einzelne — damals zumeist zünftige Handwerker wie
der den Betrieb ihres Gewerbes und brachten auch mit geringen
Ausnahmen ihr Handwerk in einen blühenden Zustand. Allein
das bis zur ersten Hälfte dieses Jahrhunderts bestandene Prohibi-
tiv- und auch später noch strenge Schutzzoll-System der Mo
narchie, sowie der Grenzzoll zwischen Oesterreich und Ungarn,
hielt die Nation dem Auslande gegenüber in einer solchen Ab
geschlossenheit, dass die grossen industriellen Errungenschaften
des Letztem und des neuesten Jahrhunderts kaum in das Land
Eingang fanden. Daher kommt jener, auch jetzt noch stark
fühlbare, ihr einen eigenthUmlichen Charakter leihende Zustand
der ungarischen Gewerbsthätigkeit, dass die auf zahlreiche, ja
fast sämmtliche Industriezweige sich erstreckende Produktion
noch immer eine mehr handwerk- als fabriksmässige ist, und ob
wohl sie den inländischen Bedarf in mehrfacher Richtung zur
Genüge deckt, doch nicht zu jener Massenproduktion sich ent-