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geude sogenannte Rohrschmiede im Lande nicht existiren; für
einfache Kugelrohre wird zum grössten Theil Mayer’scher Guss
stahl verwendet.
Diese Verhältnisse und der Umstand, dass der einfachste
Arbeiter 2, 2 1 /a und der bessere 4 — 4 ] / 2 fl. Taglohn erhält, und
bei Stückarbeit sich durchschnittlich noch mehr als 4 fl. verdient,
macht es den einheimischen Producenten unmöglich, mit dem Aus
lande, namentlich mit England zu concurriren, wo nicht nur die
Arbeitsteilung bedeutend entwickelter ist, sondern auch bestän
dig geschickte, fachkundige Arbeiter in ausreichender Menge zur
Verfügung stehen. Demungeachtet gilt dies nur von der Massen
produktion. Feinere, sogenannte Präcisions-Gewehre werden hier
billiger verfertigt, als in England, ja theilweise selbst in Belgien.
Ausgezeichnetere Waffenfabricanten sind zumeist in der
Hauptstadt anzutreffen; die diesbezügliche Produktion der Provinz
fällt kaum ins Gewicht. Hiebwaffen werden auch hier meist nur
adjustirt; die Klingen kommen grösstenteils aus Solingen und
Steiermark; die Calamitäten des Arbeitermangels zeigen sich
auch hier.
Die Uhren und Instrumenten -Fabrication
bietet im Vergleiche mit der grossartigen, zur möglichsten Voll
kommenheit gebrachten Produktion des Auslandes ein einför
miges, wenig interessantes Bild dar, was auch hier mit der all
gemeinen geschichtlichen Entwickelung zusammenhängt.
Auf diesem Gebiete sind zwei Perioden zu unterscheiden:
die des Zunftwesens und die der Gewerbefreiheit. Und obwohl
wir dies bei so zu sagen allen älteren Industriezweigen treffen,
tritt es doch nirgends so augenfällig hervor, wie bei der Uhr
macherei.
Das Zunftwesen war für die Uhrenindustrie Ungarns, eigent
lich mehr nur f* ! ; die selbstständige Produktion in diesem Zweige,
vortheilhaft, obwohl es eine blühende Industrie im heutigen Sinne
des Worts nicht geschaffen hat. Das auf dem Zunftwesen beru
hende Wandern und Meisterstück nöthigte nämlich die Arbeiter
dieses Industriezweiges, sich nicht nur mit ähnlichen Erzeugnissen
des Auslands bekannt zu machen, sondern sie verstanden auch
ihre Kunst gründlich, denn sie waren auf selbstständige Produk
tion angewiesen, da das Land seinen massenhaften Bedarf einer
seits wegen des hohen Prohibitivzolles, anderseits wegen der
mangelhaften Communication nicht von auswärts decken konnte.