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Volltext: Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild: Ungarn, Band 3

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bei irgend einem anderen Schriftsteller. Er war in der That der Genfer Calvin, auf 
ungarischen Boden verpflanzt. Mit nicht geringem Erfolg wirkte ferner Franz David, 
der Begründer der unitarischen Kirche in Ungarn, und noch manche Andere gebrauchten 
Wort und Schrift als Waffen, um die Anhänger der alten Kirche aus allen ihren Schanzen 
herauszuscheuchen. Ein ununterbrochener Kampf von fünfzig Jahren blieb denn auch nicht 
ohne Früchte, und als die Priester der katholischen Kirche die Zeit für gekommen hielten, 
den Siegeslauf der neuen Religion zu hemmen, war die große Arbeit, die Begründung 
des Protestantismus so ziemlich vollendet. Zum Glück für die katholische Kirche traten 
indeß gleich Anfangs zwei Männer zu ihrem Schutze auf, in denen Bildung und Geschmack, 
Vaterlandsliebe und tiefe religiöse Überzeugung, positives Wissen und Scharfblick vereint 
waren: Nikolaus Telegdi, Bischof von Fünfkirchen, und Andreas Monoszlai, Bischof 
von Veszprem. Der letztere spricht, indem er die Abweichungen in den Glaubensartikeln 
scharf kritifirt, auch seine charakteristische Überzeugung aus, daß die neue Religion die 
damalige traurige Lage Ungarns verschuldet habe. Diesen Angriff wies dann (1602) 
Stefan Magyari zurück, indem er der Überzeugung der Protestanten Ausdruck gab, 
daß Gott gerade wegen des halsstarrigen Festhaltens an den alten Jrrthümern die 
ungarische Nation mit so vielen Feinden heimsuche. 
Es ist eine interessante Erscheinung, daß diese Idee der Glaubensstreitigkeiten 
ungefähr ein Jahrhundert lang alle ungarischen Schriftsteller und Dichter beherrscht. Die 
Verfasser von Gesängen, Geschichten, Lehr- und Rügegedichten sprechen fortwährend 
davon, bei den Katholiken wie bei den Protestanten. Die Leiden des Vaterlandes erscheinen 
ihnen in engem Zusammenhang nicht nur mit der — deutschen oder türkischen — Auffassung 
der politischen Parteien, sondern auch mit der Überzeugung der Religionsbekenntnisse. Die 
deutsche Partei erklärte die Türkenplage und den Ruin des Landes aus der Losreißung 
von der katholischen Religion, von Gottes wahrer Kirche, wie dies im nächsten Jahr 
hundert Pazmäny und Zrinyi mit so tiefer Überzeugung verkündeten; die türkische Partei 
sah den Niedergang der Nation in der Verfolgung der protestantischen Religion, in der 
Anhänglichkeit an die alte Kirche, beide aber betrachteten die Erschöpfung des Landes als 
Strafe Gottes. Der Patriotismus verschmolz auch jetzt mit der religiösen Auffassung und 
Lyriker wie Epiker schöpften gleichermaßen aus dieser Quelle Stoff für ihre Gesänge, 
Jeremiaden, weltlichen und biblischen Erzählungen. Natürlich sind die Verkünder der 
neuen Religion weit eifriger im Bearbeiten alter und im Verfassen neuer Gesänge, im 
Übersetzen der Lieder Luthers oder der Psalmen, als die Katholiken. Die vorhandenen 
Liedersammlnngen vom Jahre 1536 bis zum Anfang des XVII. Jahrhunderts sind sämmtlich 
für die protestantischen Bekenntnisse angelegt, und zwar die meisten für die Anhänger 
Calvins, während die Evangelischen A. C., die Unitarier und Sabbatarier sich sozusagen
	            		
257 nur von je einer Liederjan,mlnng nähren. Wir kennen in diesem Jahrhundert eine ganze Schar von Liederdichtern; die bedeutendsten sind Matthias Birö von Deva, Stephan Szekely, Michael Sztärai, Andreas Batizi, Gallus Huszär, Peter Bornemissza und Nikolaus Fazekas von Bo gast der seinen unitarischen Glaubensgenossen d,e erste vollständige Psalmeniibersetzung schenkte. Rein ästhetisch betrachtet, sind die Gesänge der Unitarier und Sabbatarier die schönsten; in ihnen erneuert sich die tiefe religiöse Andacht des Mittelalters und man Hort den starken Glauben, das unbeugsame Gottvertuinen de„ vor den Verfolgungen fliehenden Gläubigen in regelmäßigen Rhythmen ansklingen. Wir wollen hier nur einen der herrlichen Umtauschen Gesänge anführen: Wahre Majestät, einziger Herr, ! Unsterblicher, Unsichtbarer Gott von mächtigem Willen! ! In deinen Herrlichkeiten, Test Ruhm und großer Name > Die Engel und großen Heiligen Himmel und Erde füllen. I Lobsingend dich Preisen. Auch ans den Gesängen der Sabbatarier, die znm großen Theil durch Sunon Pechy, Kanzler von Siebenbürgen, einen der hervorragendsten Männer des nächsten Jahrhunderts, auf uns gekommen sind, spricht ein ergreifender Glanbenseifer und das starke Vertrauen auf den Bestand der kleinen Glaubensgenossenschaft. Als Beispiel seien folgende Strophen angeführt: Unsres Glaubens wegen müssen Vater, Mutter, ; Alles Elend müssen unstät wir erdulden Und das süße Heimatland, I Und ertrage,- alle Schmach; Weib und Kind verlassen wir und Hans und Erbe, ^ Doch wir achten's wenig, latz uns nur erleben Unsres ganzen Lebens Stand. ! Einst des letzten Sabbaths Tag. Das Feld des Religionskampfes betraten in voller Rüstung auch Solche, die keine Kirchengesänge verfaßten, sondern Lehr-, Mahn- und Strafgedichte zur häuslichen Auf- erbaunng der Seele; in diesen erinnern sie an den Tod und das letzte Gericht, sie ermahnen die Gläubigen zu tugendsamem Leben und drohen den Sündern ewige Verdammnis; an, namentlich auch Denen, die mit ihren gutsherrlichen Rechten Mißbrauch treiben, denn sie geißeln die hochgeborncn grausamen Volksbedrücker nicht weniger scharf als diejenigen, welche die Verbreitung des neuen Glaubens in irgend einer Hinsicht zu hindern wagen. Mit zerknirschter Seele harren sie, daß die göttliche Gerechtigkeit ihnen zntheck werde; diese kann ja für sie nur günstig ausfallen, einstweilen aber sehen sie dennoch mit Erbitterung den Ruin der Nation, denn welcher politischen Partei und religiösen Konfession auch der Verfasser angchören mag, in der Tiefe seines Herzens ist er doch vor Allem ein Ungar. Aus dem Schicksal des jüdischen Volkes lasen sie die Zukunft der Nation heraus. Unter den Schriftstellern, welche die beiden Völker mit einander verglichen, erzielte Andreas Farkas die größteWirkung mit seinemWerke: „Von der jüdischen und der ungarischen Nation^, das im Jahre 1538 erschien. Seiner Ansicht nach ist das Schicksal dieser beiden auserwahlten ^ 17 Ungarn UI.
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