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Volltext: Schweden : Weltausstellung 1873 in Wien

GE. XIX. DAS BÜRGERLICHE WOHNHAUS. 
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die grösseren derselben 4 Stockwerke, das 
Erdgeschoss oder Halbgeschoss mitgerech 
net. In den Städten, wo die Plätze theuer, 
der Baum beengt und der Bedarf der Wirth- 
schaftsgebäude nicht besonders gross ist, sind 
unter den Häusern gewöhnlich gemauerte 
und gewölbte Keller zu gewissen Esswaa- 
ren und zu Holz; auf dem Lande hat man 
besondere gemauerte Keller unter (Eiskeller 
über) der Erde. Die übrigen Nebengebäude 
sind gewöhnlich als freistehende Flügel des 
Hauptgebäudes angeordnet. Diese Flügel 
enthalten ebenfalls Wohnzimmer für die 
Bedienung. Ein mit Sorgfalt aufgeführtes 
schwedisches massives oder hölzernes Haus 
gewährt selbst in dem kältesten und stür 
mischsten Winter ein ausgezeichnet warmes 
und gesundes Obdach: ein kalter Winter 
tag in Norrland , kann eine Temperatur von 
— 40° Celsius darbieten; in dem hölzernen 
Hause aber herrscht eine gesunde Luft von 
+ 18° ä 20° C. 
Ueber die innere Anordnung ist anzu 
merken: die Fussböden sind ausschliesslich 
von Holz, ausser in massiven Häusern, in 
denen der Hausflur und die Treppe mit be 
hauenen Fliesen belegt sind. Die Fussbö 
den der Wohnzimmer sind theils gelegt von 
gehobelten, meistens unangestrichenen tan- 
nenen oder föhrenen Planken oder in Rau 
ten oder gleichartigen Formen mit Ölfarbe 
gemalt, theils Parketfussböden mit an Farbe 
abweichendem Holz oder ohne solches. Die 
Decke ist entweder gegipst und weiss mit 
einigen in dem Gips oder mit dem Pinsel 
angebrachten Ornamenten, oder von Holz, 
weiss angestrichen oder mjt weiss ange 
strichenem Gewebe oder Pappe bedeckt. 
Bunte oder tapezierte Decken sind eben 
nicht gebräuchlich. Die Wände sind mit 
papierenen Tapeten bedeckt oder auch bis 
weilen, besonders in Sälen, mit Öl gemalt, 
entweder auf der steinernen Wand selbst 
oder auf Getäfel oder auf Gewebe. Beinahe 
nur in den älteren, prachtvollsten Häusern 
trifft man jetzt noch Tapeten von Gobelin 
und Goldleder, sowie Decken mit reichen 
Ornamenten von gehauenem Sandstein. Die 
Zimmer werden erwärmt von den ausge 
zeichneten schwedischen Kachelöfen (S. 87), 
welche mit Holz geheizt werden; zu der 
Küche gehören eiserne Herde. Der Kachel 
ofen in dem Salon wird gerne geziert mit 
einem eingefassten Spiegel oder mit meh 
ren solchen, welche auch zu der wandfesteu 
Einrichtung zu gehören pflegen. Vor dem 
Eintritt des Winters werden Doppelfenster 
eingesetzt, welche zu der Wärme des Zim 
mers mächtig beitragen, den Zug abhalten 
und das Ueberziehen der äussern Fenster 
mit Eis hindern. Ein Fenster in jedem 
Zimmer hat eine sog. Zugscheibe, welche, 
während übrigens die Fugen der inneru 
Fenster mit papierenen Streifen verkleistert 
sind, geöffnet werden kann um der Ven 
tilation willen, die auch durch ein Ventil 
in dem Kachelofen bewirkt wird. In der 
Mehrzahl der Kachelöfen in den Speisesälen 
befindet sieh eine mit messingenen Thüren 
verschlossene Nische oder ein Schrank, worin 
während der Jahreszeit, da geheizt wird, 
Teller bequem eingesetzt und für die Mahl 
zeit warm gehalten werden können. Ein 
gewöhnliches alltägliches Zimmer hat eine 
Fussbodenfläche von etwa 200 Quadratfuss 
und eine Höhe von 10—12 Fuss. 
Auf dem Lande bewohnt der Besitzer 
selbst sein Haus ohne Miethsgäste, und so 
auch gewöhnlich in den kleineren Städten; 
in den grösseren dagegen ist es gewöhn 
lich, dass in einem Hause mehre Familien 
wohnen, jede in ihrer von den übrigen 
abgesonderten Wohnung. Das Bedürfniss 
mehrer Zimmer ist in Schweden sehr gross, 
und auf dem Lande lässt sich ( dieser Luxus 
natürlich leichter befriedigen als in den 
Städten. Ausser denjenigen Zimmern, die 
von der Familie wirklich oder zum Theil 
wenig benutzt werden, giebt es noch sog. 
Gastzimmer, eines oder mehre, die das ganze 
Jahr zur Beherbergung ankommender mehr 
oder weniger bekannter Personen während 
der Nächte in Ordnung gehalten werden; 
denn Gastfreundschaft ist allgemein in Schwe 
den. In den Städten dagegen hat man 
keine besonderen Gastzimmer. 
Das Verhältniss zwischen den Einkünf 
ten einer Person und dem Bedürfniss der 
Wohnzimmer ist zum Theil angegeben in 
dem jetzt geltenden Bewilligungsgesetze, 
welches bestimmt, dass einer Miethe von 
300—500 R:dr ein wenigstens 3 mal, von 
500—1,000 R:dr ein 4 mal, von 1,000 
—1,500 R:dr ein 5 mal und über 1,500 
R:dr ein wenigstens 6 mal so grosses jähr 
liches Einkommen als entsprechend zu er 
achten ist. 
Man hält dafür, dass eine nicht grosse 
Familie mit einer ziemlich guten Stellung 
gewöhnlich gebraucht: ein Vorzimmer, ein
	        
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