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Volltext: Schweden : Weltausstellung 1873 in Wien

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GR. XX. DAS BAUERNHAUS. 
nen Handgriff, hing in der Mitte berab, 
um das Aufstehen zu erleichtern, indem der 
Ruhende tief in die schwellenden Betten 
hinabsank. Die Bettstelle war, wie die 
meisten andern Hausgeräthe, bunt gemalt. 
Die Wanduhr stand an dem Bettfusse und 
zwischen diesem und der Thür zu der Vor 
rathskammer (Speisehause); an der entgegen 
gesetzten Seite der letzteren hing ein schma 
les Handtuch mit Fransen. Mit noch ei 
nem Schritte sind wir an der Eingangsthür 
und haben also die Runde durch das Zim 
mer gemacht. 
Die Trage- oder Sommerstube war ohne 
Feuerstätte. Hier hatten Mutter, Töchter 
und Dienstmädchen ihre Kleider in Kof 
fern, die blau an gestrichen und von dem 
Pinsel des ländlichen Künstlers mit gewal 
tigen Tulpen bemalt, auch mit schwarzen 
Beschlägen versehen waren. Ausser den 
Kleideykoffern gab es in dieser Stube gerne 
einen langen Tisch nebst dem Hochsitze 
für einen Gast und zwischen dem Tisch 
und der Wand eine Bank; ausserdem ein 
aufgemachtes zweischläferiges Bett, einige 
wenige Stühle und der Webestuhl, welcher 
sowie verschiedene andere Sachen in die 
Tra^estube getragen zu werden pflegten, 
wenn diese auf einige Zeit nicht angewen 
det zu werden brauchten. 
In einer von den übrigen Strecken be 
fand sich die Herberge, welche Wandern 
den zum Nachtquartier eingeräumt zu wer 
den pflegte, die Knechtstube (die Dienst 
mädchen waren und schliefen in der täg 
lichen Stube) und die Ausgedingestube, 
welche die Alten bezogen, wenn der älteste 
Sohn heirathete, nachdem sie sich gewisse 
Bedürfnisse ausbedungen hatten, z. B. Ge 
treide, Milch, Torf u. a. m. In den übri 
gen Strecken waren: Ställe, Tennen, Torf 
und Geräthehaus u. a. Die sämmtlichen 
Fenster gingen hinaus nach dem Hofe, auf 
welchem die Getreidemiethen standen, falls 
dort Platz dafür war, und wo es gerne 
einen Brunnen gab. Man kam auf den 
Hof durch zwei Thorwege, von denen der 
eine _ der Dorfgasse und der andere dem 
lomt , d. h. dem Theile des Landes, wel 
cher dem Hofe zunächst lag, zugewendet war. 
Die Häuser der Hausmänner hatten we 
der Speisehaus noch Tragestube; die täg 
liche Stube war ganz so eingerichtet, wie 
bei den Wohlhabenderen. 
Die Küche war zugleich Brauhaus. Dort 
wai ausser dem Herde ein Trockenofen 
(Kölna) und ein Backofen, dessen Gewölbe 
zur Besparung des Raumes eine Strecke 
von dem Haupthause ausgebaut und mit 
einem eigenen Strohdache versehen war. 
In den Contouren und in dem Farben 
tone an allen Zierrathen lag etwas von der 
Sicherheit des Instinktes”; was man da 
gegen auch anmerken konnte, so lag darin 
auf jeden Fall eine Art von Stil, der auf 
einheimischem Boden entstanden war und 
sich ohne allen fremden Einfluss entwickelt 
hatte; seine Vorbilder konnten wohl zum 
Theil vor einer Zeit von einigen Jahrhun 
derten in den Herrenhäusern wiederzufin 
den gewesen sein, aber das Volk hatte die 
selben frei verwaltet. Ausser den Zierrathen 
an dem Ofen und ausserdem Schnitzeleien 
und Malereien an den Hausgeräthen, be 
standen die Zierrathen in "Gemälden” aus 
der heiligen Geschichte, gekleistert an die 
weiss übertünchten Wände, und geschicht 
liche Stücke von einem ländlichen Künst- 
lei. Geburtstags-Glückwünsche mit gemal 
ten Kränzen, welche Verse und mit Kanzlei 
schrift sauber geschriebene Namen um 
schlossen, sowie Erinnerungstafeln an abge 
schiedene Verwandte (die beiden letzteren 
Alten in Glas und Rahmen) kamen eben 
falls an den Wänden vor, sowie in den Fen 
stern einige Blumentöpfe. 
Auf dieselbe Weise war auch im Ue- 
brigen alles wie aus einem Ganzen ge 
gossen und stimmte überein mit sich selbst. 
Jetzt ist die Einheit gestört — daher ha 
ben wir auch in der Form des Präteritums 
gesprochen — und man merkt,'dass man 
sich in dem Stadium des Ueberganges be 
findet. So z. B. beginnt der frühere mit 
Sand bestreute Lehmfussboden mit einem 
gehobelten hölzernen von Brettern vertauscht 
zu werden, der aber kaum reiner gehalten 
wird, als der frühere war. Die ehemaligen 
gedrechselten hölzernen Schüsseln und Teller 
und die runden oder viereckigen hölzernen 
Scheiben, auf denen man sein Fleisch oder 
seinen Speck schnitt, haben angefangen mit 
I oizellan unteimischt zu werden, und auch 
Gabeln beginnen sich unter den ehemals 
allein herrschenden Taschenmessern zu zei 
gen, von denen jeder sein eigenes hatte. 
Auch Zeitungen und Zeitschriften fangen 
an sich zu zeigen, während man früher 
nichts anderes sah, als die Bibel und das
	        
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