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GR. XX. DAS BAUERNHAUS.
nen Handgriff, hing in der Mitte berab,
um das Aufstehen zu erleichtern, indem der
Ruhende tief in die schwellenden Betten
hinabsank. Die Bettstelle war, wie die
meisten andern Hausgeräthe, bunt gemalt.
Die Wanduhr stand an dem Bettfusse und
zwischen diesem und der Thür zu der Vor
rathskammer (Speisehause); an der entgegen
gesetzten Seite der letzteren hing ein schma
les Handtuch mit Fransen. Mit noch ei
nem Schritte sind wir an der Eingangsthür
und haben also die Runde durch das Zim
mer gemacht.
Die Trage- oder Sommerstube war ohne
Feuerstätte. Hier hatten Mutter, Töchter
und Dienstmädchen ihre Kleider in Kof
fern, die blau an gestrichen und von dem
Pinsel des ländlichen Künstlers mit gewal
tigen Tulpen bemalt, auch mit schwarzen
Beschlägen versehen waren. Ausser den
Kleideykoffern gab es in dieser Stube gerne
einen langen Tisch nebst dem Hochsitze
für einen Gast und zwischen dem Tisch
und der Wand eine Bank; ausserdem ein
aufgemachtes zweischläferiges Bett, einige
wenige Stühle und der Webestuhl, welcher
sowie verschiedene andere Sachen in die
Tra^estube getragen zu werden pflegten,
wenn diese auf einige Zeit nicht angewen
det zu werden brauchten.
In einer von den übrigen Strecken be
fand sich die Herberge, welche Wandern
den zum Nachtquartier eingeräumt zu wer
den pflegte, die Knechtstube (die Dienst
mädchen waren und schliefen in der täg
lichen Stube) und die Ausgedingestube,
welche die Alten bezogen, wenn der älteste
Sohn heirathete, nachdem sie sich gewisse
Bedürfnisse ausbedungen hatten, z. B. Ge
treide, Milch, Torf u. a. m. In den übri
gen Strecken waren: Ställe, Tennen, Torf
und Geräthehaus u. a. Die sämmtlichen
Fenster gingen hinaus nach dem Hofe, auf
welchem die Getreidemiethen standen, falls
dort Platz dafür war, und wo es gerne
einen Brunnen gab. Man kam auf den
Hof durch zwei Thorwege, von denen der
eine _ der Dorfgasse und der andere dem
lomt , d. h. dem Theile des Landes, wel
cher dem Hofe zunächst lag, zugewendet war.
Die Häuser der Hausmänner hatten we
der Speisehaus noch Tragestube; die täg
liche Stube war ganz so eingerichtet, wie
bei den Wohlhabenderen.
Die Küche war zugleich Brauhaus. Dort
wai ausser dem Herde ein Trockenofen
(Kölna) und ein Backofen, dessen Gewölbe
zur Besparung des Raumes eine Strecke
von dem Haupthause ausgebaut und mit
einem eigenen Strohdache versehen war.
In den Contouren und in dem Farben
tone an allen Zierrathen lag etwas von der
Sicherheit des Instinktes”; was man da
gegen auch anmerken konnte, so lag darin
auf jeden Fall eine Art von Stil, der auf
einheimischem Boden entstanden war und
sich ohne allen fremden Einfluss entwickelt
hatte; seine Vorbilder konnten wohl zum
Theil vor einer Zeit von einigen Jahrhun
derten in den Herrenhäusern wiederzufin
den gewesen sein, aber das Volk hatte die
selben frei verwaltet. Ausser den Zierrathen
an dem Ofen und ausserdem Schnitzeleien
und Malereien an den Hausgeräthen, be
standen die Zierrathen in "Gemälden” aus
der heiligen Geschichte, gekleistert an die
weiss übertünchten Wände, und geschicht
liche Stücke von einem ländlichen Künst-
lei. Geburtstags-Glückwünsche mit gemal
ten Kränzen, welche Verse und mit Kanzlei
schrift sauber geschriebene Namen um
schlossen, sowie Erinnerungstafeln an abge
schiedene Verwandte (die beiden letzteren
Alten in Glas und Rahmen) kamen eben
falls an den Wänden vor, sowie in den Fen
stern einige Blumentöpfe.
Auf dieselbe Weise war auch im Ue-
brigen alles wie aus einem Ganzen ge
gossen und stimmte überein mit sich selbst.
Jetzt ist die Einheit gestört — daher ha
ben wir auch in der Form des Präteritums
gesprochen — und man merkt,'dass man
sich in dem Stadium des Ueberganges be
findet. So z. B. beginnt der frühere mit
Sand bestreute Lehmfussboden mit einem
gehobelten hölzernen von Brettern vertauscht
zu werden, der aber kaum reiner gehalten
wird, als der frühere war. Die ehemaligen
gedrechselten hölzernen Schüsseln und Teller
und die runden oder viereckigen hölzernen
Scheiben, auf denen man sein Fleisch oder
seinen Speck schnitt, haben angefangen mit
I oizellan unteimischt zu werden, und auch
Gabeln beginnen sich unter den ehemals
allein herrschenden Taschenmessern zu zei
gen, von denen jeder sein eigenes hatte.
Auch Zeitungen und Zeitschriften fangen
an sich zu zeigen, während man früher
nichts anderes sah, als die Bibel und das