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GE. XXV. BILDENDE KUNST DER GEGENWART.
ein Künstler geworden, der vielleicht Ca-
nova, den Plastiker, welcher in der zu
seiner Zeit neu erwachenden Entwickelung
der Bildhauerkunst den Ton angab, über
troffen, in jedem Falle ihm nicht nachge
standen hätte. In llom modellirte er, auf
Bestellung der Gräfin Dübarry, seine un
vergleichlich schöne Gruppe "Amor und
Psyche”, die für Rechnung Gustafs III in
Marmor ausgeführt wurde und jetzt eine
der schönsten Zierden des schwedischen
Mational-Museums ist. Als einen traurigen
Beweis der Kunstthätigkeit, zu welcher die
Gunst Gustafs III ihn zwang, sieht man
noch im Museum, wenige Schritte von der
ebengenannten Gruppe, die widerlichste
Misshandlung der Antike: eine Nachahmung
der bekannten antiken Statue "Venus Kal-
lipygos”, dargestellt mit den Gesichtszügen
einer Schönheit am Hofe (der Gräfin Höp-
ken). Unter den besten Arbeiten Sergel’s
können ferner genannt werden: "Venus, die
ins Bad steigt” (für den Grafen Cederhjelm
auf Säby ausgeführt), "Axel Oxenstjerna
und die Muse der Geschichte”, eine Menge
kirchlicher Monumente, wie das über Car-
tesius (in der Adolf-Fredriks Kirche zu
Stockholm) und unzählige Portraits-Sta-
tuen, Büsten und Medaillons. Die wich
tigste dieser Arbeiten und zugleich eins
der Meisterwerke Sergels ist die Statue
Gustafs III an der Schiffbrücke zu Stock
holm, welche von der Stockholmer Bürger
schaft 1790 bestellt wurde. In dieser
Statue scheint der alte römische Geist in
Sergel wieder erwacht zu sein; Gustaf ist
in dem Augenblicke dargestellt, da er an
der Schiffbrücke ans Land gestiegen ist
und mit der einen Hand seinem Lande den
Olivenzweig als Zeichen des Friedens reicht;
von der Zehspitze bis zum begeisterten
Antlitze geht durch die ganze Gestalt
gleichsam ein elektrischer Strom, der Alles
belebt und keinen Theil kalt oder leer
stehen lässt. Sergel starb 1814.
Vier Jahre später als Sergel kehrte der
Maler Masreliez zurück. Er hatte haupt
sächlich in Bologna studirt und daselbst
solche Anerkennung gefunden, dass er in
die Akademie der Stadt als Mitglied auf
genommen worden war; er war nächst
Sergel der hervorragendste Künstler zur
Zeit Gustafs III. Da die Begabung Mas
reliez’ sich durchaus nicht 'für die Staffelei-
Malerei eignete und Gelegenheit zu monu
mentalen Arbeiten sich nicht oft darbot,
hinterliess dieser Meister nicht sehr viele
bedeutende Werke. Unter denselben kann
zuerst erwähnt werden das Altarbild in der
Maria-Kirche zu Stockholm, vor seiner
Reise i Oel gemalt; dieses Gemälde hat
doch eine weit geringere Bedeutung als die
Fresco-Malereien im Haga-Pavillon, welche
Scenen aus der griechischen Mythologie
mit Arabesken darstellen, die deutlich zei
gen, dass er hierbei die antike Decorations-
malerei fleissig studirt, und dass er in
Schweden als Apostel der Classicität be
trachtet werden kann, obgleich er sich nicht
immer von dem Rococo-Geschmacke, der
seine Zeit charakterisirte, frei zu machen
vermochte. Seinen Haupteinfluss übte er als
Lehrer an der Akademie aus, wo er 1784
Professor und 1806 Director wurde; er starb
1810.
Die Liebhaberei Gustafs III für das
Theatralische, die einer seiner hervorste
hendsten Charakterzüge war, liess ihn in
dem Franzosen, Architekten Louis Des
prez, den er in Rom kennen gelernt hatte,
das hervorragendste Talent unter den Künst
lern seines Hofes sehen. Desprez, der ein
vorzüglicher Zeichner war, wurde vom Kö
nige zu Allem tauglich erachtet, sowohl
zum königlichen Decorationsmaler, als auch
um eines der wenigen wirklich historischen
Gemälde aus der Zeit Gustafs zu malen: "die
Schlacht bei Hogland” (jetzt auf dem königl.
Schloss Rosersberg), ein Gemälde ohne be
sonders grosse Bedeutung. In seiner ei
gentlichen Kunst, der Architektur, hatte
Desprez selten Gelegenheit mehr als Pro-
jecte auszuführen, unter denen eins der
wichtigsten das eines grossen Schlosses
bei Haga war, zu welchem der Grund 1786
gelegt, welches aber infolge des Todes des
Königs niemals vollendet wurde.
Eine eigenthümliche Erscheinung in der
Kunst zur Zeit Gustafs HI ist die Thätig-
keit Lehr Hörberg’s als Maler. Er war
der Sohn eines Soldaten (Ake Hörberg)
und wurde 1746 in Smäland geboren. Mit
einem höchst ungewöhnlichen Farbensinne
und einer reichen Einbildungskraft begabt,
wäre er ohne Zweifel, wenn er eine nur
einigermassen genügende künstlerische Er
ziehung erhalten und nicht mit so trüben
ökonomischen Verhältnissen zu kämpfen ge
habt hätte, eine Grösse in der Kunst ge
worden, während er jetzt nur als ein Cu-