GE. XXVI, ERZIEHUNG«-, UNTERRICHTS- UND BILDUNGSANSTALTEN.
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Der Bischof und das Domkapitel (Con-
sistorium) in jedem Stifte sind verpflichtet,
in Verbindung mit der ihnen im Allge
meinen anvertrauten Aufsicht über die Un-
terrichtsanstalten eine sorgfältige Aufsicht
über die Volksunterriehtsanstalten zu führen
und die Leitung und Entwickelung derselben
zu überwachen, sowie auch in jedem drit
ten Jahre an den König ein Gutachten über
den Zustand des Volksunterrichts in dem
Stifte mit allen zur Erklärung gehörenden
Angaben einzusenden.
Die höchste Leitung des' Volksunter
richtes übt der König aus durch das De
partement des Cultus und öffentlichen Un
terrichts, in welchem seit 1864 zur Prüfung
derjenigen Angelegenheiten, welche den
Volksunterricht und die Beaufsichtigung der
dahin gehörenden Lehranstalten betreffen,
eine besondere Abtheilung eingerichtet ist.
Diese Aufsicht wird ausgeübt theils von
dem Chef dieser Abtheilung über die Se-
minarien, theils von besonderen für jedes
Stift von dem Departements-Chef ernannten
Inspectoren über die Volksschulen.
Die jetzigen Inspectoren, an Zahl 49,
sind auf 5 Jahre verordnet, um nach einer
von dem Departements-Chef ausgefertigten
Instruction in bestimmten, jedem ange
wiesenen Districten über die dortigen Schu
len Aufsicht zu führen.
Den Inspectoren liegt zu diesem Zwecke
ob, dem Gange des Volksunterrichtes mit
Aufmerksamkeit zu folgen, persönlich die
in ihrem Districte befindlichen Volksschulen
zu besuchen, sich Kenntniss von dem Zu
stande und den Bedürfnissen zu verschaffen,
zur Beförderung der Entwickelung des Volks
schulenwesens, wo die Anordnung mangel
haft befunden wird, dem betreffenden Schul-
rathe und dem Domkapitel Vorschläge zur
Verbesserung vorzulegen, sorgfältig auf den
Unterricht zu sehen und den Lehrern nöthige
Anweisungen und Rathschläge über Lehr
methode u. a. m. zu ertheilen.
Ueber seine Thätigkeit soll der Inspec
tor theils jährlich einen kurzen Bericht an
das Consistorium des Stiftes, zu welchem
sein District gehört, theils auch zu Ende
der Inspectionsperiode an das Cultus-De-
partement einen vollständigen Bericht ab
liefern, welcher zugleich eine vollständige
Uebersicht über das Schulwesen in dem
Districte enthalten muss. Diese letzteren
Berichte werden auf Veranstaltung des De
partements gedruckt und unter die Schul-
räthe und Domkapitel ausgetheilt, und nun
haben diese Behörden die den verschiede
nen örtlichen Umständen angepassten Mass-
regeln zu ergreifen, welche auf Anlass der
in den Berichten vorkommenden Angaben
und Vorschläge als von dem Bedürfnisse her
vorgerufen erachtet werden.
Die Inspectoren beziehen ein jährliches
Gehalt, welches für jede Inspectionsperiode
nach der Grösse des Inspectionsdistrictes
bestimmt wird; auch erhalten sie Ersatz
für ihre Reise- und Tractamentskosten.
III. Die Schulkinder. Jede Gemeinde
hat in Uebereinkunft mit dem Schulrath
das Alter zu bestimmen, in welchem der
Schulgang seinen Anfang nehmen soll, und
das Gesetz schreibt nur vor, dass dieser
Anfang nicht über das neunte Jahr des
Kindes hinaus geschoben werden darf.
Gleichwohl wird dieser Anfang nur in
solchen Gegenden, wo locale Verhältnisse
oder ein härteres Klima den Schulbesuch
erschweren, bis zu dem erwähnten Alter
hinaus geschoben; dagegen beginnt der
Schulgang der Kinder gewöhnlich mit dem
7:ten Jahre und dauert bis zum 14:ten.
Für die im Schulalter befindlichen Kin
der ist der Unterricht obligatorisch, so dass
alle, welche nicht in Privatschulen oder mit
Erlaubniss des Schulrathes zu Hause unter
richtet werden, sich in der öffentlichen
Sehlde einfinden müssen. Die letzteren
müssen sich aber zu Anfang eines jeden
Termins einem Verhöre vor dem Schulrathe
unterwerfen, und dieser bestimmt darauf,
ob ihnen die Befreiung von dem Schulgange
ertheilt werden kann.
Die Kinder, deren Eltern oder Pflege
eltern nicht im Stande sind, ihnen Kleider
und Unterhalt während des Schulalters zu.
geben, werden hierin durch die Armenpflege
unterstützt.
Wenn Eltern eigensinnig sich weigern,
ihre Kinder in die Schule zu schicken, so
kann ihnen nach erhalterler Warnung auf-
erlegt werden, den Unterhalt der Kinder
bei anderen Personen zu beköstigen.
Am Ende des Jahres 1871 betrug die
Zahl der sämmtlichen schulpflichtigen Kin
der im Lande 712,520 oder fast 17 / von
der Bevölkerung; davon waren 360,831
Knaben und 351,689 Mädchen. In diesem
Jahre wurden 577,054 oder beinahe 81 /